Werbung wirkt – aber wie genau?

Lese­zeit: 3 Minu­ten

Erfolg­rei­che Wer­bung folgt einer grund­le­gen­den psy­cho­lo­gi­schen Wirk­for­mel: Eigent­lich eine ein­fa­che For­mel, aber den­noch facet­ten­reich und für Gestalter*innen immer wie­der herausfordernd.

Was ist Wirkung

Fragt man 10 Men­schen, was sie unter Wer­be­wir­kung ver­ste­hen, erhält man ver­mut­lich 15 ver­schie­dene Ant­wor­ten. Als kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner lässt sich allen­falls fest­hal­ten: Wir­kung ist, wenn etwas – wie eine Wer­bung – mit jeman­dem – in die­sem Fall mit dem Betrach­ter oder der Betrach­te­rin – etwas macht. Am Ende der Wirk-Kette steht meist der Kauf, aber nicht immer. Wir­kung bedeu­tet auch: Ein Gedanke, der ange­sto­ßen wird, eine Marke, an die man sich nun bes­ser erin­nert, eine Aus­ein­an­der­set­zung mit einem Thema, viel­leicht auch nur gute Laune – es kann aber auch ein Gefühl von Lang­weile ‚machen‘. Auch das ist psy­cho­lo­gisch eine Wir­kung, wenn auch sicher keine, die sich die Macher*innen gewünscht haben.

Psy­cho­lo­gisch steckt eine ein­fa­che Wirk­for­mel dahin­ter, der jedem Gestal­ter und jeder Gestal­te­rin geläu­fig ist: Wir­kung bedeu­tet, dass eine Anzeige, ein Film oder auch nur ein Wort beim Betrach­ter bzw. der Betrach­te­rin Asso­zia­tio­nen aus­löst, und diese Asso­zia­tio­nen an etwas Bedeu­tungs­vol­les ‚in‘ ihr oder ihm ‚ando­cken‘. Wir­kung pas­siert nie im luft­lee­ren Raum. Wer­bung ist immer ein Dia­log zwi­schen Betrachter*in und Wer­bung. Gelun­gene Wer­bung spricht etwas an, das ‚im‘ Betrach­ter schon ange­legt ist und für sie oder ihn rele­vant ist: Lebens­er­fah­run­gen, Vor­stel­lungs­bil­der, Wunsch­bil­der, Sehn­süchte, oder auch Sor­gen oder Ängste. 

Damit ist Wir­kung im Übri­gen auch etwas ande­res als Auf­merk­sam­keit. Natür­lich ist Auf­merk­sam­keit auch eine Form von Wir­kung (auch dann ‚macht‘ Wer­bung etwas mit mir), aber nur eine sehr spe­zi­elle Form von Wir­kung: Eine auf­merk­sam­keits­starke Wer­bung bringt mich zunächst nur dazu, mich der Wer­bung zuzu­wen­den. Was sie aber letzt­end­lich für Asso­zia­tio­nen bei mir aus­löst, und ob diese Asso­zia­tio­nen an etwas für mich Wich­ti­ges anknüp­fen, ist damit noch lange nicht ausgemacht.

Dimen­sio­nen der Wirkung

Nen­nen wir das, woran Wer­bung ‚ando­cken‘ kann, die Lebens­er­fah­run­gen der Nutzer*innen. Dies umfasst alles, was Konsument*innen mit­brin­gen, ihre Erin­ne­run­gen, Gedan­ken, Gefühle, Über­zeu­gun­gen, Sehn­süchte etc., die mal bewuss­ter, mal unter­schwel­li­ger sein kön­nen. Um Wer­bung gezielt nach der Wirk­for­mel aus­zu­rich­ten und zu steu­ern, kann man sich klar machen, dass es sol­che Lebens­er­fah­run­gen auf ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen gibt. Es gibt Lebens­er­fah­run­gen, die wir mit allen Men­schen die­ses Pla­ne­ten tei­len, ein­fach weil wir alle zur Spe­zies Homo Sapi­ens Sapi­ens gehö­ren – wir alle haben Erfah­run­gen mit Freund­schaft, Liebe oder auch dem Tod gemacht. Je enger die Dimen­sio­nen dann wer­den, umso klei­ner ist die Menge an Men­schen, mit denen wir unsere Lebens­er­fah­run­gen teilen.

Es las­sen sich fünf sol­cher Dimen­sio­nen unterscheiden:

  1. Die mensch­li­che Dimen­sion: Dies sind die erwähn­ten Lebens­the­men, die uns alle ange­hen. Klin­gen im Asso­zia­ti­ons­raum zwi­schen Wer­bung und Betrachter*in diese The­men an, wird man damit alle Men­schen errei­chen. In gewis­ser Weise muss jede erfolg­rei­che Wer­bung sol­che grund­le­gen­den The­men mit­be­we­gen, ob nun eine Ver­si­che­rung auf Ver­trauen, Sicher­heit oder Freund­schaft setzt, oder ein Elek­tro­markt die uns alle inne­woh­nende Gier anspricht. Auch die Arche­ty­pen spie­len meist in die­ser Liga, wenn z.B. ein Bau­markt eine kleine Held*innengeschichte mit Augen­zwin­kern erzählt.
  1. Die kul­tu­relle und Zeit­geist­di­men­sion: Dies sind die Lebens­er­fah­run­gen, die wir z.B. mit allen Teil­neh­mern einer bestimm­ten Kul­tur und Gesell­schaft in einer bestimm­ten Zeit­pe­ri­ode tei­len. Aus die­sem Grund sind auch einige Mar­ken nach der deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung mit ihrer Wer­bung gehö­rig auf die Nase gefal­len. Erin­nern Sie sich noch an die Wer­bung für die Sekt­marke Deinhard mit der Frau, die über­mü­tig auf einem Schlag­zeug spielt, dabei eine Trom­mel zer­trüm­mert und laut fragt: „Wo ist der Deinhard?“ – und wie diese west­li­che Deka­denz bei ost­deut­schen Frauen ankam?
  1. Die Ziel­grup­pen­di­men­sion: Hier wird der Wirk­ra­dius schon etwas enger, wenn Wer­bung an Lebens­er­fah­run­gen andockt, die nur Frauen, Män­ner, Senio­ren, Städ­ter oder Hipps­ter bewegt. Möchte man z.B. heute Medi­zin-Pro­dukte an Senio­ren ver­kau­fen, sollte man von blas­sen, beige­far­be­nen und kli­nisch anmu­ten­den Bil­dern Abstand neh­men, weil diese nicht zu den posi­tiv besetz­ten Lebens­er­fah­run­gen und Wunsch­bil­der der Ziel­gruppe gehören.
  1. Die Pro­dukt­di­men­sion: Wenn Men­schen Auto fah­ren, fern­se­hen, Bier trin­ken, einen Urlaub buchen oder ihr Mobil­te­le­fon nut­zen, unter­schei­den sich die Lebens­er­fah­run­gen, die man als Gestalter*in gezielt auf­grei­fen kann. In der Wer­bung ist dies oft die wich­tigste Dimen­sion: Die Motive, Erfah­run­gen und Stim­mun­gen bei der Ver­wen­dung bestimm­ter Pro­dukte sollte man als Gestalter*in genau ken­nen. Inner­halb die­ser Motive lässt sich auch am bes­ten eine Marke posi­tio­nie­ren. Set­zen alle Pre­mium-Bier­mar­ken auf kul­ti­vierte Bil­der (und spre­chen damit ein wich­ti­ges Motiv bei der Pro­dukt­ver­wen­dung an), sticht man mit einem Sauf­bier und dem Set­zen auf ein ande­res Motiv inner­halb des­sel­ben Pro­dukt­be­reichs deut­lich her­aus. „Was dagegen?“
  1. Die situa­tive Dimen­sion: Das betrifft Wer­bung, die nur an bestimm­ten Orten oder zu bestimm­ten Zei­ten, wie z.B. Weih­nach­ten, rele­vante Erfah­run­gen adres­siert. Auch zu Corona-Zei­ten ist diese Dimen­sion nicht unwich­tig (obwohl sie lang­sam bereits zu einer kul­tu­rel­len/­Zeit­geist-Erfah­rung wird). Wer­bung, die eine aus­ge­las­sene Gesell­schaft zeigt, wirkt momen­tan zumin­dest komisch.

Gute Wer­bung schafft es übri­gens, auf allen fünf Dimen­sio­nen zugleich rele­vante Lebens­er­fah­run­gen anzu­spre­chen. Das muss natür­lich alles stim­mig und glaub­wür­dig zusam­men­pas­sen und ist für die Krea­tion keine leichte Auf­gabe. For­schung an Konsument*innen im Vor­feld — wie mit unse­rem Design Guide — hilft jeden­falls, sich bei den rele­van­ten Lebens­er­fah­run­gen als auch die damit ver­bun­de­nen Bil­dern, Stim­mun­gen, Far­ben oder Sti­len etwas siche­rer bei der Krea­tion zu fühlen.

Gelun­gene Wer­bung ist natür­lich noch von vie­len wei­te­ren Fak­to­ren abhän­gig. Die Beher­zi­gung die­ser grund­le­gen­den Wirk­for­mel ist aller­dings in vie­len Fäl­len schon die halbe Miete. (mehr zum Thema fin­den Sie auch in unse­rem Buch „Wie Design wirkt“)

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