Kreativtechnik: Angebots-Tuning

Lese­zeit: 3 Minu­ten

Tuto­rial: Mit der Krea­tiv­tech­nik „Vor­her-Wäh­rend-Nach­her“ las­sen sich bestehende Ange­bote erwei­tern und mit Mehr­wert aufladen.

Die meis­ten Ange­bote besit­zen ein Vor­her, Wäh­rend und Nachher. 

Vor­her: wie kommt man als Nutzer*in an das Ange­bot? Wäh­rend: was lässt sich wäh­rend des Nut­zens des Ange­bots ver­bes­sern oder als Mehr­wert hin­zu­fü­gen? Nach­her: was kann man den Nutzer*innen noch Gutes tun, nach­dem der eigent­li­che Nut­zen schon vor­bei ist. Man muss kein kom­plett neues Ange­bot ent­wi­ckeln, wenn man das vor­han­dene mit Mehr­wert “tuned” und sich damit gegen­über Mitb­wer­bern einen Vor­teil ver­schafft. Ama­zon hat den Online­han­del nicht neu erfun­den, ist aber des­halb erfolg­reich, weil sie beim “Vor­her, wäh­rend und nach­her” beson­dere Vor­teile schaf­fen. Die Krea­tiv­tech­nik “Vor­her-wäh­rend-nach­her” wird im Fol­gen­den am Bei­spiel “Kino” erläutert.

Möchte man einen Film im Kino sehen, muss man zuerst zum Kino kom­men. Fährt man mit dem Auto, braucht man in der Nähe des Kinos einen Park­platz. Man braucht eine Ein­tritts­karte. Wäh­rend des Films hat man viel­leicht Hun­ger und Durst und anschlie­ßend möchte man noch irgendwo nett etwas trin­ken gehen. Im Fall des Kinos ist für die meis­ten Dinge, die vor­her, wäh­rend und nach­her zum Kino­be­such dazu gehö­ren, gesorgt. Die meis­ten haben einen Park­platz, eine Ein­tritts­karte kann man sogar mit dem Smart­phone kau­fen und braucht nicht an der Kasse anzu­ste­hen. Snacks gibt’s im Kino auch und meis­tens auch eine Bar in der Nähe.

Viel­leicht könnte man aber auch in Gegen­den mit schlech­tem öffent­li­chen Nah­ver­kehr, oder für ältere Mit­bür­ger einen Kino-Shut­tle­ser­vice ein­rich­ten, oder zumin­dest den Ser­vice, dem Online-Ticket­käu­fer auch gleich einen indi­vi­du­el­len Fahr­plan für öffent­li­che Ver­kehrs­mit­tel oder eine Park­platz­re­ser­vie­rung zu bie­ten. Anstelle von Snacks könnte man rich­tige Gerichte anbie­ten, viel­leicht the­ma­tisch pas­send zum Film, oder eine Mas­sage wäh­rend des Film­schau­ens, oder für Filme mit kom­ple­xen Prot­ago­nis­ten-Struk­tu­ren (man denke hier an die Net­flix-Serie „Dark“) eine Über­sicht auf dem Handy, wer noch­mal „John“ war und in wel­cher Bezie­hung er zu „Jenny“ steht. Auf der Web­seite des Kinos bekommt man viel­leicht nach dem Kino­be­such eine Doku zum Making-of des Films frei­ge­schal­tet oder kann mit den Fil­me­ma­chern chatten. 

Schritt 1: Recherche

Wel­che Ansätze las­sen sich für eine Erwei­te­rung für das Vor­her, Wäh­rend und Nach­her von Ange­bo­ten fin­den? Die Ana­lyse der bestehen­den Gege­ben­hei­ten vor Ort ist eine Mög­lich­keit für Ange­bote, die Orts-abhän­gig sind: Wie sieht die Park­platz­si­tua­tion aus, wie steht es um das Vor­han­den­sein von Restau­rants in der Nähe? Eine psy­cho­lo­gi­sche Ana­lyse durch Gesprä­che mit Konsument*innen, um mehr über Bedürf­nisse, Motive, Ver­wen­dung aber auch Ent­sor­gung etc. des Ange­bots zu erfah­ren, bringt beson­ders rei­chen Input. Die Recher­che kann man nach fol­gen­der Sys­te­ma­tik aufschlüsseln:

  1. Hand­lun­gen: Was muss oder möchte man (die Nutzer*innen) machen, bevor man das Ange­bot wahr­nimmt? Was muss oder könnte man wäh­rend­des­sen noch sinn­voll machen? Was muss oder möchte man nach­her machen?
  2. Ereig­nisse: Was könnte ver­mut­lich vor­her pas­siert sein (z.B. der Park­platz ist voll)? Was könnte wäh­rend­des­sen pas­sie­ren, wel­che Neben­er­eig­nisse sind wahr­schein­lich (z.B. das Snack-Geknab­ber der ande­ren Besu­cher nervt)? Was könnte nach­her pas­sie­ren (z.B. als das Kino anfing, schien noch die Sonne. Jetzt reg­net es)?

Schritt 2: Män­gel beseitigen

Im zwei­ten Schritt küm­mert man sich zunächst um die sog. Hygie­ne­fak­to­ren. Das sind alle Phä­no­mene, die stö­ren könn­ten, zu unnö­ti­gen Ärger­nis­sen füh­ren und sich als nega­ti­ves Erleb­nis für die Kund*innen ver­mei­den las­sen. Dass z.B. nie­mand gerne in einer lan­gen War­te­schlange steht, um ein Ticket zu kau­fen, ist fast schon selbst­ver­ständ­lich. Die Ver­pa­ckung eines Snacks, den man auch unter­wegs ver­zeh­ren möchte, sollte ohne Werk­zeug­kas­ten geöff­net wer­den kön­nen, oder wie wäre es, wenn man sie sogar mit einer Hand öff­nen kann? 

Schritt 3: Ent­wick­lung von Einzelideen

Bei der Ideen­ent­wick­lung kann man zunächst frei und ohne Gren­zen alle Ein­fälle durch­spie­len, aus­ge­hend von den gesam­mel­ten mög­li­chen Ereig­nis­sen und Hand­lun­gen. Das kann man mit ver­schie­de­nen Ver­fah­ren und auch gän­gi­gen Krea­tiv­tech­ni­ken durchführen:

Neben Brain­stor­ming oder Brain­wri­ting bie­tet sich die Reiz­wort bzw. Reiz­bild­tech­nik an: Man nimmt zen­trale Begriffe aus der Recher­che, fügt noch Syn­onyme hinzu oder (Vorstellungs-)Bilder, die man im Gespräch mit den Konsument*innen ermit­telt hat als Ideenanregung.

Die Begriffs- und Bild­kom­bi­na­to­rik funk­tio­niert ähn­lich wie Reiz­wort / Reiz­bild. Hier kom­bi­niert man jedoch die Begriffe oder Bil­der mit einem zen­tra­len Begriff oder Bild aus dem Ange­bot, z.B. „All­wet­ter-Kino“ oder „Ent­span­nungs-Sitze“ oder man mon­tiert z.B. das Bild eines Restau­rants in das Bild eines Kinosaals.

Viel­leicht kann man auch schon vor­her etwas erle­di­gen, das sonst nach­ge­la­gert ist oder viel­leicht kann man die Abhän­gig­keit, bzw. das Ursa­che-Wir­kungs-Gefüge zwi­schen Ereig­nis­sen und Hand­lun­gen auf­bre­chen, neu ver­knüp­fen, und es las­sen sich dann z.B. läs­tige Pro­zess-Teile abkür­zen oder ganz eli­mi­nie­ren. Hier hel­fen Mind­map- oder Fischgräten-Technik.

Schritt 4: Gesamt­bild schaffen

Die Idee, Ent­span­nungs­mas­sage wäh­rend des Film­gu­ckens anzu­bie­ten, passt nicht son­der­lich gut zur Rocker­kneipe, die im Anschluss an den Kino­be­such in der Nähe liegt. Sicher mögen viel­leicht man­che Men­schen auch gerade die Abwechs­lung. Bie­tet man aber selbst Gas­tro­no­mie für nach­her im Kino­be­reich an, würde sich hier eher eine Ent­span­nungs-Gas­tro­no­mie anbie­ten. Führt man einen Shut­tle-Dienst für ältere Mit­bür­ger ein, sollte auch der Rest zu die­ser Ziel­gruppe pas­sen. Man muss also die Ein­zel­ideen zu einem stim­mi­gen Gesamt­kon­zept zusam­men­fü­gen, um eine klare Posi­tio­nie­rung zu fin­den und kein kom­plex-undurch­schau­ba­res Sammelsurium.

Die Krea­tiv­tech­nik „Vor­her-Wäh­rend-Nach­her“ bie­tet den Vor­teil, sich auch mit klei­nen Ideen einen Mehr­wert ver­schaf­fen zu kön­nen und die eigene Posi­tio­nie­rung außer­ge­wöhn­li­cher zu gestal­ten. Man muss auch nicht alles sofort kom­plett umkrem­peln, son­dern kann auch in klei­nen Schrit­ten das Ange­bot auf­wer­ten, span­nen­der machen und bes­ser ange­passt an die Bedürf­nisse der Kund*innen und der Situa­tion, in der sie sich vor­her, wäh­rend und nach­her befinden.

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