Gefallens-Urteil und Geschmackserleben: Was steckt psychologisch dahinter?
„Gefällt mir“ oder „Gefällt mir nicht“ sind in der klassischen Marktforschung zentrale Kategorien. In einem Test kann das Gefallens-Urteil seitens der Konsument*innen über Leben oder Tod z.B. einer Werbekampagne entscheiden. Was steckt aber hinter dem „Gefallen“ und „Nicht-Gefallen“? Dies genau zu verstehen ist v.a. dann wichtig, wenn ein Produkt, eine Verpackung oder ein Werbedesign erst entwickelt werden soll. Als Gestalter*in muss man schließlich wissen, wie man erreichen kann, dass die Kreation den Konsument*innen am Ende gefällt.
Tatsächlich ist das mit dem Gefallen eine ziemlich komplexe und mehrdimensionale Sache. Es gibt zunächst die subjektive Seite des Geschmacksempfindens. Der grundlegende Mechanismus dabei ist: Mir gefällt das, was mir „in den Kram passt“, also was dem eigenen Selbst- oder Wunschbild oder dem gelebten oder einem erstrebenswerten Lebensstil entspricht. Kaufen Kund*innen ein Kleidungsstück, dann nicht in erster Linie, weil es ihnen so gut gefällt, sondern weil sie sich selbst darin so gut gefallen. Ich bin Apple-Fan, nicht weil Apple so geile Produkte produziert, sondern weil ich mich als Teil einer urbanen Avantgarde erleben möchte. Aus dem gleichen Grund finde ich vielleicht auch Sushi „lecker“. Ohne diesen psychologischen Hintergrund wäre Sushi nur labberiger Fisch mit kaltem Reis.
Dieses subjektive Gefallens-Urteil ist aber nur zu einem sehr kleinen Teil ein individuelles. Je nach Kontext teilen Menschen ihr Geschmackserleben mit mehr oder weniger vielen anderen. Auf einer sehr grundlegenden Ebene – der menschlichen Dimension – werden alle Menschen von den gleichen Dingen angezogen, etwa wenn urmenschliche Wünsche angesprochen oder archetypische Bilder verwendet werden. Bilder von einem Sonnenuntergang gehen immer. Auf der kulturellen und Zeitgeist-Dimension ist der Kreis der Menschen, mit denen man ein Geschmacksurteil teilt, zwar noch immer groß, aber schon etwas enger gefasst. Der in den 1920er Jahren von Coco Chanel entworfene Glockenhut gefiel fast allen Frauen im westlichen Kulturraum zu dieser Zeit, da er dem kulturellen Wunschbild der Frauen nach Emanzipation und Rebellion entsprach.
Noch enger gefasst ist der Kreis der Menschen, die das eigene subjektive Urteil teilen, auf der Zielgruppen-Dimension. So teilen z.B. viele Menschen den gleichen Musikgeschmack, wenn sie zu einer bestimmten Alterskohorte gehören. Weiter geht es mit der Produkt-Dimension. Was im Zusammenhang mit Versicherungen als schön oder stimmig empfunden wird, ist im Bereich Urlaub vielleicht unpassend und langweilig. Schließlich entscheidet auch noch die konkrete Situation, in der das Gefallens-Urteil gefällt wird. Erst was dann noch übrig bleibt, das ist dann individuell.
Daneben gibt es aber auch noch eine objektive Seite des Geschmacksempfindens. Es gibt eine ganze Reihe von Prinzipen, die dazu führen, dass etwas als ästhetisch oder stimmig erlebt wird. Dazu gehört etwa eine stimmige Atmosphäre, bei der möglichst viele Details in ein Ganzes zusammenfinden, eine ausgewogene Asymmetrie – die berühmte Mona Lisa ist ein Beispiel für ein Bild, das spannend und ausgewogen zugleich erlebt wird – oder die Kontrastharmonie, wenn sich Gegensätze stimmig ergänzen. Außerdem gibt es noch den Goldenen Schnitt, die Goldene Spirale, und noch ein paar andere Goldene Regeln.
Das alles wirkt zusammen, wenn jemand lapidar daher sagt, dass ihm oder ihr etwas „gefalle“.