KI in Marktforschung und Innovation – ein Experiment

Lese­zeit: 12 Minu­ten

Wer­den wir Markt­for­scher, Inno­va­ti­ons­ent­wick­le­rin­nen und Desi­gner über­haupt noch gebraucht oder über­nimmt die KI unsere Auf­ga­ben, weil sie es bes­ser kann? Kann uns umge­kehrt KI bei unse­ren Pro­zes­sen über­haupt irgend­wie nütz­lich sein, oder ist der beste Weg ein glück­li­ches Win/­Win-Team? Die­ser Frage sind wir in einem Expe­ri­ment nachgegangen. 

Die Dis­kus­sion um künst­li­che Intel­li­genz (KI) reicht von über­zo­ge­nen Erwar­tun­gen über prak­ti­sche Use Cases bis hin zur Ernüch­te­rung. Obwohl auch wir KI bereits seit etwa einem Jahr in unse­ren Pro­jek­ten ein­set­zen und eini­ges an Erfah­rung gewin­nen konn­ten, woll­ten wir es ein­mal ganz genau wis­sen: an wel­chen Stel­len wir KI gewinn­brin­gend in unse­rer Arbeit ein­set­zen kön­nen und wo das Set­zen auf MI (Mensch­li­che Intel­li­genz) die bes­sere Wahl ist.

Was heißt „unsere Arbeit“? Gemein­sam mit unse­ren Kun­den ent­wi­ckeln wir Inno­va­tio­nen, Pro­to­ty­pen oder Design-Manu­als auf Basis psy­cho­lo­gisch-krea­ti­ver For­schung. Dazu arbei­ten wir inter­dis­zi­pli­när mit dem eigens ent­wi­ckel­ten Mind­set Insight­Art. Wir den­ken For­schung und Inno­va­tion zusam­men – bei­des ver­schmilzt zu einem Pro­zess: Inno­va­ti­ons­ge­lei­tete For­schung und For­schungs­ge­lei­tete Inno­va­tion. Die Erkennt­nisse aus unse­rem Expe­ri­ment las­sen sich jedoch sicher auch auf anders gear­tete For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­zesse zumin­dest teil­weise übertragen.

Als Refe­renz für das Expe­ri­ment haben wir meh­rere unse­rer real – also rein mit MI in „Hand­ar­beit“ – durch­ge­führ­ten Pro­jekte her­an­ge­zo­gen, bei denen wir den gesam­ten F&E Pro­zess durch­lau­fen haben: Psy­cho­lo­gi­sche For­schung, Inno­va­ti­ons­ent­wick­lung,  Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Design­krea­tion. Jeden Schritt haben wir von ver­schie­de­nen KIs in Kom­bi­na­tion aus­füh­ren las­sen – zum Ein­satz kamen ChatGPT, Neu­ro­flash, Mid­jour­ney und Adobe Fire­fly. Dabei haben wir die Auf­ga­ben in ver­schie­de­nen Set­tings durch­ge­führt und jeweils mit den Ergeb­nis­sen aus den MI Pro­jek­ten verglichen:

  1. KI als For­scher:
    Die KI wurde ange­wie­sen uns ohne vor­he­ri­ges Füt­tern mit Infor­ma­tio­nen For­schungs­er­geb­nisse zum jewei­li­gen For­schungs­thema zu liefern
  2. KI als Pro­band:
    Hier wurde die KI mit den­sel­ben Fra­gen kon­fron­tiert, die wir den mensch­li­chen Pro­ban­den in den rea­len psy­cho­lo­gi­schen Gesprä­chen gestellt haben 
  3. KI als unin­for­mier­ter Ideen­ent­wick­ler:
    Die KI sollte ohne Kennt­nis von For­schungs­er­geb­nis­sen Ideen entwickeln
  4. KI als freier Ideen­ent­wick­ler:
    Die KI erhielt zuvor von uns Infor­ma­tion aus den For­schungs­er­geb­nis­sen der rea­len Pro­jekte, z.B. Per­sona-Beschrei­bun­gen, und sollte auf die­ser Basis frei Ideen entwickeln
  5. KI als Teil­neh­mer eines Ent­wick­lungs­work­shops:
    Die KI durch­lief einen stra­te­gi­schen Krea­ti­ons-Ent­wick­lungs­pro­zess auf der Basis unse­rer rea­len Work­shop­kon­zepte mit spe­zi­ell für die Auf­gabe ent­wi­ckel­ten Verfahren
  6. KI als Desi­gner:
    Die KI erhielt ein Krea­tiv-Brie­fing aus den For­schungs­er­geb­nis­sen und sollte Design-Ideen für die Kom­mu­ni­ka­tion ent­wi­ckeln und diese umset­zen (ChatGPT schreibt die Anwei­sun­gen – den Prompt – für die Bild­ge­ne­rie­rungs-KI Midjourney) 

In jedem Set­ting wurde sys­te­ma­tisch das Promp­ting vari­iert (zu Details der Test­set­tings s.u. im Kasten).

KI als Forscher

Müs­sen wir noch selbst for­schen? Die Ergeb­nisse, die ChatGPT zei­len­weise und in Bul­let­points aus­spuckte, waren gar nicht mal so weit von unse­ren Ergeb­nis­sen ent­fernt. Wurde die KI viel­leicht auch mit unse­ren For­schungs­er­geb­nis­sen trainiert? 

Auf dem zwei­ten Blick fiel aber auf, dass uns ein Auf­zäh­len der Bedürf­nisse und Motive, warum jemand z.B. eine Han­dy­ver­si­che­rung abschließt oder einen Gesund­heits­ur­laub bucht, nicht wei­ter­hilft. Wel­ches der Bedürf­nisse wesent­lich ist oder viel­leicht nur ein Unter­punkt eines ande­ren Bedürf­nis­ses ist, wurde nicht ersicht­lich. Ver­gli­chen mit unse­ren Ergeb­nis­sen fehlte der zugrun­de­lie­gende psy­cho­lo­gi­sche Kern gänz­lich, der auch nur aus dem Kon­text des Zeit­geis­tes zu ermit­teln war. 

Auch die für uns wesent­li­che psy­cho­lo­gi­sche Struk­tur ließ sich nicht aus­ma­chen: In wel­chen Span­nungs­ver­hält­nis­sen ste­hen die Motive, wel­che Dyna­mi­ken und Wen­de­punkte gibt es, bei denen Zuspruch zum Pro­dukt in Wider­spruch kippt. Ebenso fehl­ten atmo­sphä­ri­sche Qua­li­tä­ten und eine Ein­ord­nung in den kul­tu­rel­len Kon­text – all diese grund­le­gen­den Erkennt­nisse für das Ver­ste­hen aus der psy­cho­lo­gi­schen Ana­lyse waren in der Bul­let­point-Auf­lis­tung nicht auszumachen.

Fazit: Plau­si­bel und nicht ganz falsch, aber zu ober­fläch­lich. Eine Inter­net-Recher­che zum Thema hätte uns ver­mut­lich ähn­li­che Ergeb­nisse gebracht. Eine sol­che Vor­re­cher­che machen wir oft, um für die Leit­fa­de­n­er­stel­lung in ein Thema hin­ein zu kom­men. Eigene Recher­che nimmt viel mehr Zeit in Anspruch, hat aber den Vor­teil, zu wis­sen, aus wel­chen Quel­len die Infor­ma­tion stammt. ChatGPT sucht sich die wahr­schein­lichs­ten Ant­wor­ten irgend­wo­her. Wurde die KI mit vie­len seriö­sen Daten aus bereits vor­han­de­nen Stu­dien zum Thema gefüt­tert, sind die Ergeb­nisse gut und kön­nen eine auf­wen­dige eigene Vor­re­cher­che erset­zen. Gerade bei Inno­va­ti­ons­for­schung kommt es aber häu­fig vor, dass man ein ganz neues Thema erforscht, zu dem es noch nicht viel ver­läss­li­ches Wis­sen gibt.

KI als Proband

Bei die­sem Set­ting zeig­ten sich die Defi­zite schon beim ers­ten Lesen – irgend­wie so zwi­schen den Zei­len. Uns wehte etwas Ähn­li­ches ent­ge­gen wie unse­ren ech­ten Pro­ban­den bei einer Stu­die zum Thema KI-Jour­na­lis­mus, die wir letz­tes Jahr durch­ge­führt haben. „Irgend­wie … so lieb­los“ hieß es da oder „Das hat auf jeden Fall jemand geschrie­ben, der bei dem Event nicht selbst dabei war, so vom Hören-Sagen abge­kup­fert“. Ein Bei­spiel: ChatGPT wurde mit Insights zu einem Urlau­ber-Typus gefüt­tert und gebe­ten: „Ver­setze dich in die Situa­tion des ‚Unzu­frie­de­nen‘ und beschreibe dein Lebens­ge­fühl.“ Die Antwort:

„Mein Lebens­ge­fühl ist geprägt von einer bestän­di­gen Dis­kre­panz zwi­schen den aktu­el­len Lebens­um­stän­den und den per­sön­li­chen Erwar­tun­gen oder Wün­schen. Es mani­fes­tiert sich in einem Gefühl der Unvoll­stän­dig­keit, einer per­ma­nen­ten Unzu­frie­den­heit mit exter­nen Fak­to­ren. Es besteht der Wunsch nach einer Ver­än­de­rung, jedoch oft ohne kla­ren Pfad zu des­sen Realisierung“ 

Alles rich­tig. Aber: So gestelzt redet doch kein Mensch!

Im Ver­gleich mit den Ant­wor­ten aus den rea­len Gesprä­chen zur sel­ben Frage fiel uns auf, dass die Pro­ban­den mehr Meta­phern benutzt hat­ten, oft hin und her über­leg­ten, vor­her Gesag­tes noch­mal anders for­mu­lier­ten – so als spür­ten sie im Moment des Beschrei­bens ihren Gefüh­len regel­recht kör­per­lich und sinn­lich nach. Das hat uns dazu ver­an­lasst, ChatGPT die glei­che Auf­gabe noch ein­mal zu stel­len, haben aber um die Ver­wen­dung von Meta­phern gebeten. 

Hier ein Teil des Ergeb­nis­ses – nur ein Teil, denn er hörte gar nicht mehr auf …

„Mein Lebens­ge­fühl ist, als würde ich stän­dig in zu engen Schu­hen lau­fen, wäh­rend ich durch einen Wald von miss­bil­li­gen­den Sta­tuen navi­giere, die stän­dig den Fin­ger heben. Mein Inne­res gleicht einer ver­las­se­nen Biblio­thek, wo Staub und Schat­ten die einst leben­di­gen Geschich­ten über­la­gern. Die Tage zie­hen vor­bei wie end­lose Zug­wag­gons, die ich von der Platt­form eines Bahn­hofs betrachte, ohne je einen Fuß hin­ein zu setzen…“

Wer mal ein inter­es­san­tes Buch dazu lesen möchte, welch kom­plexe mensch­li­che Leis­tung es ist, die pas­sen­den Metha­pern, Ana­lo­gien oder Idiome zu fin­den, dem emp­feh­len wir Dou­glas Hof­stad­ter „Die Ana­lo­gie: das Herz des Denkens“. 

Man­che Meta­phern gelin­gen ChatGPT auch ganz gut, denn er kann sehr gut simu­lie­ren, dass er über ein Herz des Den­kens ver­fü­gen würde. Bei län­ge­ren Tex­ten merkt man aber doch: Er hat nicht selbst erlebt, nicht selbst wahr­ge­nom­men oder selbst gehan­delt, son­dern seine Wort­krea­tion nur rekom­bi­niert und vari­iert und das spürt man auch – irgend­wie – zwi­schen den Zeilen.

Fazit: KI ist ein guter Simu­lant, die aber für authen­ti­sche Beschrei­bun­gen von Erleb­nis­sen, Ereig­nis­sen, Hand­lun­gen und Gefüh­len nicht taugt, weil ein Com­pu­ter­pro­gramm kei­nen Kör­per, keine Sinne und auch keine Gefühle hat – auch wenn sie das oft gut vor­täu­schen kann. Das hilft uns bei der psy­cho­lo­gi­schen Ana­lyse von KIs wei­ter, aber nicht bei der von mensch­li­chem Erle­ben und Verhalten.

KI als unin­for­mier­ter Ideenentwickler

Als Ver­gleich für diese Auf­gabe an die KI hat­ten wir zu einem kon­kre­ten Thema eine Liste mit 30 aus­führ­lich beschrie­be­nen Ideen vor­lie­gen, die wir für einen Kun­den ent­wi­ckelt haben. Diese waren auch schon sor­tiert nach: kleine Ver­bes­se­rung, große Ver­bes­se­rung und dis­rup­tive Idee. ChatGPT nannte über­wie­gend Ideen, die es schon auf dem Markt gibt – wir hat­ten ja auch aus­führ­lich recher­chiert. Die ein oder andere Idee ent­sprach unse­ren klei­nen Ver­bes­se­run­gen, z.B.: „Per­sön­li­cher Kon­nek­ti­vi­täts­be­ra­ter: Jeder Kunde erhält einen per­sön­li­chen Bera­ter, der hilft, das beste Ange­bot basie­rend auf dem indi­vi­du­el­len Nut­zungs­pro­fil zu fin­den.“. Veri­vox lässt grüßen.

Zusätz­lich kamen Ideen, die wir nicht auf­ge­lis­tet hat­ten, weil sie nicht den Ergeb­nis­sen der For­schung ent­spra­chen, z.B.: „Inte­grierte Vir­tual Rea­lity-Kom­mu­ni­ka­tion: Statt eines ein­fa­chen Video­an­rufs könn­ten Kun­den bei der Kun­den­be­ra­tung eine VR-Brille auf­set­zen“ Tele­fon und Email etc. wur­den auch des­halb erfun­den, damit man mit Men­schen wie dem Kun­den­be­ra­ter, mit dem man keine per­sön­li­che Bezie­hung möchte, nicht face to face spre­chen muss. Daher erwies sich schon der Video­an­ruf als kri­tisch, drei­di­men­sio­nal dürfte er das noch mehr sein. 

Fazit: Eher keine Hilfe, weil über­wie­gend nahe­lie­gende, her­kömm­li­che Ideen ent­ste­hen oder an den Bedürf­nis­sen der Kon­su­men­tin­nen vorbei

KI als freier Ideenentwickler

Bei die­ser Auf­gabe erhielt die KI vorab die Ergeb­nisse der real durch­ge­führ­ten psy­cho­lo­gi­schen Stu­die und sollte auf die­ser Basis Ideen ent­wi­ckeln, also ähn­li­ches Aus­gangs­ma­te­rial wie wir selbst bei der Ideen­ent­wick­lung hat­ten. Die Ideen gin­gen über­wie­gend nicht mehr an den Bedürf­nis­sen vor­bei, grif­fen dafür aber oft ziem­lich ein­di­men­sio­nal die Infor­ma­tio­nen aus der Stu­die auf, z.B. zum Gesund­heits­ur­lau­ber, der gestresst ist: „Wal­d­yoga und Medi­ta­tion zur Ent­span­nung: Spe­zi­elle Platt­for­men oder Lich­tun­gen im Wald, die für Yoga- und Medi­ta­ti­ons­sit­zun­gen reser­viert sind.“. Die Wäl­der um Kur­orte sind auch schon halb gero­det, so viele sol­cher Yoga­platt­for­men gibt es da schon.

Fazit: Die Ideen sind zu nahe­lie­gend und haben eine geringe Schöp­fungs­höhe. Oft sind es nur Beschrei­bun­gen eines Insights als Idee. Inter­es­sant war hier für uns, dass das Füt­tern mit Insights offen­bar die Krea­ti­vi­tät der KI ein­schränkt – ähn­lich wie wir es bei mensch­li­chen Teil­neh­men­den von Krea­ti­ons­work­shops ken­nen. Die­sem Pro­blem haben wir uns daher beim nächs­ten Set­ting angenommen.

KI als Teil­neh­mer eines Entwicklungsworkshops

Men­schen sind Gewohn­heits­tiere und ver­las­sen sich auf bekannte Denk­mus­ter. Das hat auch große Vor­teile, denn auf das Bewährte zu set­zen ist siche­rer und geht auch meist schnel­ler – Rou­ti­nen sind auch see­len-öko­no­misch effi­zi­ent. Das ver­hin­dert aber ein Out­side the Box-Den­ken. Dafür wen­den wir in Krea­tiv­work­shops Ver­fah­ren zur sog. „Schöp­fe­ri­schen Zer­stö­rung an“. Ein sol­ches selbst ent­wi­ckel­tes Ver­fah­ren und in vie­len Work­shops erfolg­reich erprobt ist unsere “Nimmo”-Technik. Diese haben wir mit ChatGPT durch­ge­spielt, zunächst an einem kon­stru­ier­ten Bei­spiel: eine Wasch­ma­schine ver­bes­sern, indem man zuerst die Vor­teile eines Apfels gegen­über einer Wasch­ma­schine auf­lis­tet und diese dann wie­der auf die Wasch­ma­schine über­trägt und so zu neuen Ideen kommt. Zur Über­prü­fung haben wir selbst eine sol­che Liste ange­legt mit­tels MI.

Die erste posi­tive Reak­tion von ChatGPT: Wäh­rend mensch­li­che Teil­neh­mer oft erst irri­tiert sind und man­che es für Quatsch hal­ten, Äpfel mit Wasch­ma­schi­nen zu ver­glei­chen, war ChatGPT sofort bereit­wil­lig bei der Sache. Hier zeigt sich der Vor­teil der KI, dass sie keine ein­schrän­ken­den Denk­mus­ter besitzt – wenn man ihr sol­che nicht gibt wie im vor­he­ri­gen Set­ting die Insights. Zuerst waren die Ideen für die Vor­teile des Apfels noch rela­tiv nahe­lie­gend und för­der­ten nur einen Teil der Ideen unse­rer Liste her­vor. Mit der Bitte an die KI, auch ent­fern­ter lie­gende Ideen zu suchen, über­traf sie unsere Liste schließ­lich noch leicht.

Der zweite Teil der Auf­gabe – aus den Vor­tei­len des Apfels Ideen für eine bes­sere Wasch­ma­schine zu ent­wi­ckeln – geriet dann jedoch zu stark ins Fan­ta­sie­volle und es fehlte der Rea­li­täts­be­zug, z.B.: „Mys­tik und Folk­lore (Apfel in Legen­den): Eine Wasch­ma­schine, die in Zusam­men­ar­beit mit Geschich­ten­er­zäh­lern und Desi­gnern ent­wi­ckelt wurde, um Geschich­ten und Mythen in ihre Funk­tion und ihr Design zu inte­grie­ren, sodass jede Wäsche eine Reise in eine andere Welt ist.“ Wir haben dann die KI-Tools gebe­ten, eher prak­ti­sche Ideen zu ent­wi­ckeln. Tech­nisch-prak­ti­sche Ideen scheint ihnen bes­ser zu lie­gen, z.B. nicht schlecht war:

„Ener­gie- und Was­ser­ef­fi­zi­enz: Durch den Ein­satz von fort­schritt­li­chen Sen­so­ren und Algo­rith­men kann die Maschine den Was­ser- und Ener­gie­ver­brauch basie­rend auf der aktu­el­len Bela­dung opti­mie­ren, wodurch Res­sour­cen gespart und die Betriebs­kos­ten gesenkt werden.“

Als nächs­ten Schritt haben wir wie­der ein rea­les Pro­jekt als Vor­lage genom­men, bei der der KI die Insights schon bekannt waren. Die stra­te­gi­sche Vor­ge­hens­weise mit­hilfe krea­ti­ver Ver­fah­ren funk­tio­nierte auch in die­sem Fall gut. Die Insights wirk­ten nicht mehr einschränkend.

Fazit: Die KI erweist sich als guter Teil­neh­mer für Ent­wick­lungs­work­shops. Sie braucht keine schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung, son­dern macht sofort bereit­wil­lig mit. Die Krea­ti­ons-Stra­te­gie, in wel­chen Schrit­ten sie vor­ge­hen soll, muss man ihr aber vor­ge­ben. Die Kennt­nis der Insights wirkt dann auch nicht ein­schrän­kend und es ent­ste­hen nicht nur her­kömm­li­che Ideen, son­dern durch­aus Fan­ta­sie­volle. Zur Nimmo-Tech­nik konnte ChatGPT sich auch die Anmer­kung nicht ver­knei­fen: „Inter­es­sante Her­aus­for­de­rung! Wir nut­zen also die Vor­teile des Apfels als Inspi­ra­tion, um eine bes­sere Wasch­ma­schine oder den Wäsche­wasch­pro­zess zu ent­wi­ckeln“, inklu­sive Zwin­ker-Smi­ley – hier simu­liert sie natür­lich wie­der, denn eine Soft­ware kann natür­lich nichts inter­es­sant finden.

KI als Designer

Die Insights zum Gesund­heits­ur­laub kannte die KI schon und sollte auf die­ser Basis eine Bild­idee ent­wi­ckeln. Sie bemühte sich auch red­lich, die Insights zu visua­li­sie­ren mit z.B. dem Ergeb­nis, das schon ver­kürzt ist: 

„Eine Per­son (viel­leicht in Rücken­an­sicht, sodass sich die Ziel­gruppe mit der Per­son iden­ti­fi­zie­ren kann) liegt auf einer gemüt­li­chen Liege, umge­ben von wei­chen Kis­sen und ein Getränk oder ein Buch könnte neben ihr lie­gen, sym­bo­lisch für die Ent­span­nung und das “Ver­wöh­nen-Las­sen”. Neben der Liege könnte ein klei­ner Tisch ste­hen, auf dem Info­bro­schü­ren oder Bücher zu ver­schie­de­nen “Alter­na­ti­ven für einen ande­ren All­tag” lie­gen. Im Mit­tel­feld: Ein Pfad oder Weg, der von der Liege weg­führt und zu einer ver­steck­ten, nur halb sicht­ba­ren Tür oder einem Tor führt – dies sym­bo­li­siert die Mög­lich­keit, in die Tiefe des eige­nen Selbst ein­zu­tau­chen. Im Hin­ter­grund eine atmo­sphä­risch dichte und ergrei­fende Land­schaft. Denk­bar wäre ein Wald, der von einem zar­ten Nebel umhüllt wird, mit hohen, alten Bäu­men, geheim­nis­voll schim­mern­der See und einige wenige Sil­hou­et­ten von Men­schen ange­deu­tet , die “Allein­sein oder in einer klei­nen Gemein­schaft” betont.“

Im Prin­zip alles drin, an alles gedacht, aber nicht nur Mid­jour­ney war mit der Umset­zung völ­lig über­for­dert, son­dern jeder mensch­li­che Desi­gner wäre es – und auch der Betrach­ter, denn bei all den Din­gen, die hier auf einem Bild dar­ge­stellt wer­den sol­len, ent­steht eher ein Such­bild. Dar­über hin­aus pas­sen die Kis­sen atmo­sphä­risch nicht zum nebe­lig-unheim­li­chen Wald, und ein mys­ti­sches Tor in die Unter­welt der Seele mit­ten in der Land­schaft lässt sich vom Look&Feel gar nicht mit einem Sta­pel Info­bro­schü­ren vereinen.

Andere Bild­ideen und die anschlie­ßen­den Aus­füh­run­gen durch Mid­jour­ney fie­len weni­ger über­füllt und unein­heit­lich aus, waren dafür aber eher ste­reo­typ und wenig krea­tiv und ori­gi­nell – so wie sie schon in Tau­send Wer­be­an­zei­gen von Kur­or­ten zu sehen sind. Oder sie pass­ten nicht so ganz zu den Bedürf­nis­sen, vor allem wenn eher unter­schwel­lige Bild­bot­schaf­ten etwas nur leicht andeu­ten oder fein Nuan­cier­tes dar­stel­len soll­ten, wie z.B. bei einem erwar­tungs­voll freu­di­gen und gleich­zei­tig zöger­li­chen Gesichtsausdruck.

Ähn­lich schwie­rig war für die KI übri­gens auch die Auf­gabe, Ideen für unse­ren in der Fach­zeit­schrift Pla­nung & Ana­lyse erschei­nen­den Car­toon „Wiss­bert, der Markt­for­scher“ zu ent­wi­ckeln: So unfrei­wil­lig komisch die ernst gemein­ten meta­pho­ri­schen Beschrei­bun­gen waren, die ChatGPT als „Pro­band“ prä­sen­tierte, so wenig wit­zig waren es die Ideen für Geschich­ten, die humor­voll sein soll­ten: Bes­ten­falls bemüht wit­zig, und oft so, dass man die Szene gar nicht in ein gezeich­ne­tes Car­toon­bild umset­zen könnte.

Fazit: Bei der Ent­wick­lung von Designs zeigt sich wie­der das­selbe Defi­zit wie bei den Meta­phern. Der KI fehlt das sinn­li­che Vor­stel­lungs­ver­mö­gen. Sie puz­zelt im Prin­zip rich­tig ver­stan­dene Insights ohne Gefühl für ästhe­ti­sche Stim­mig­keit belie­big zusam­men, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie das Ganze auf nur ein Bild passt – und da fehlt ja auch noch das Logo und andere Bild­ele­mente, die ebenso um Auf­merk­sam­keit buhlen. 

Unter­stüt­zung bie­ten allen­falls Mid­jour­ney und Fire­fly als eine Art ‘Hilfs­gra­fi­ker’ bei der Umset­zung einer (eige­nen) Bild­idee. Der­zeit ist es aber zumeist noch nötig, die von der KI gene­rier­ten Bil­der in Pho­to­shop zu bear­bei­ten – oder sich von ihr die ein­zel­nen Bild­ele­mente wie Prot­ago­nis­ten, Hin­ter­grund oder Objekte gene­rie­ren zu las­sen und in Pho­to­shop selbst zu einem stim­mi­gen Bild zu kom­po­nie­ren. Ob künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen Bild-gene­rie­ren­der KI, wie das zum Ver­öf­fent­li­chungs­zeit­punkt die­ses Arti­kels ange­kün­digte Dall‑E 3, bes­ser gelingt, auch kom­ple­xere Kom­po­si­tio­nen per Text-Prompt gezielt zu erzeu­gen, wird sich zei­gen. Ein Bild sagt (und braucht) bekannt­lich mehr als 1000 Worte. 

Der Mensch und KI als Win/Win Team

Das kleine Expe­ri­ment hat uns tat­säch­lich mehr Klar­heit ver­schafft. In der Zusam­men­schau ist das Ergeb­nis sogar einfach. 

Posi­tiv – und das wer­den wir in Zukunft noch häu­fi­ger gezielt nutzen:

👍 Recher­che und Brain­stor­ming
Der große Fun­dus an Wis­sen und die Fähig­keit der KI, die Infor­ma­tio­nen schnell in gewünsch­ter Weise zu ver­knüp­fen und auf­zu­be­rei­ten, kann bei der Vor­re­cher­che unter­stüt­zen – sofern es sich nicht um ein völ­lig neues Pro­dukt han­delt. Man sollte auch skep­tisch blei­ben, ob die Infos rich­tig sind, weil die Quel­len nicht bekannt sind. Vor­re­cher­che und The­men-Brain­stor­ming hel­fen bei der Erstel­lung des Leit­fa­dens für Gesprä­che mit ech­ten Menschen.

👍 Fan­ta­sie­volle Ideen­samm­lung
Die KI erweist sich zudem als wert­vol­ler Teil­neh­mer für einen Krea­ti­ons­work­shop. Sie ist offen für jede noch so unge­wöhn­li­che Auf­gabe bei der Ideen­ent­wick­lung und kann auch sehr fanat­sie­volle Krea­tio­nen her­vor­brin­gen. Man muss ihr jedoch eine durch­dachte Stra­te­gie vor­ge­ben, um ihr die Kom­pe­tenz, unge­wöhn­li­che und den­noch Insights­ba­sierte Ideen zu ent­wi­ckeln, zu entlocken.

👍 Bild-Gene­rie­rung nach Vor­gabe
Das glei­che gilt für die Gene­rie­rung eige­ner (also mensch­li­cher) Bild­ideen. Gerade in der Design Guide Explo­ra­tion benö­tigt man eine Viel­zahl an unter­schied­li­chen Bild­mo­ti­ven als Test- und Trig­ger­ma­te­rial. KI macht ein wenig unab­hän­gi­ger von Stock­fo­tos, spart etwas Zeit und ermög­licht die Rea­li­sie­rung der ein oder ande­ren Bild­idee, die sonst deut­lich auf­wän­di­ger wäre, würde man sie in Pho­to­shop kom­plett selbst mon­tie­ren. Die Sys­te­ma­tik der Bild­aus­wahl auf Basis der For­schungs­er­geb­nisse kann sie uns aber eben­so­we­nig abneh­men wie die Ent­wick­lung der Bild­ideen selbst.

Gren­zen zei­gen sich deut­lich bei allen Fähig­kei­ten, die Erle­ben, kör­per­li­che und sinn­li­che (Lebens-)Erfahrung und Inten­tio­na­li­tät erfor­dern. Hier sollte man vor­sich­tig sein und nicht der (teils guten) Simu­la­tion der Tools aufsitzen:

👎 Ver­ste­hen
Mensch­li­cher Input ist uner­läss­lich, wenn man wirk­lich wis­sen möchte – und das möch­ten wir in der psy­cho­lo­gi­schen For­schung – wie Men­schen etwas erle­ben, sich vor­stel­len und füh­len, und wenn man grund­le­gend und tief­grei­fend ver­ste­hen möchte, warum sich Men­schen so ver­hal­ten, wie sie es tun. Das Defi­zit, dass die KI am Ende doch nur mensch­li­che Eigen­schaf­ten simu­liert, zeigt sich bei der Krea­ti­ons­ent­wick­lung beson­ders im Design, aber eben­falls in der Rea­li­täts­ferne bei Pro­dukt­ideen: eine Wasch­ma­schine aus Bam­bus mag die Kri­te­rien der Nach­hal­tig­keit erfül­len, schei­tert aber sicher an eini­gen phy­si­ka­li­schen Gesetzen.

👎 Stim­mig­keit
Die KI weiß auch nicht, ob etwas stim­mig ist, z.B. wenn Pro­ban­den sich irgend­wie selt­sam aus­drü­cken und dies ein Hin­weis ist, noch­mal nach­zu­ha­ken, um dem Eigent­li­chen, das hin­ter einem Bedürf­nis steckt, auf die Spur zu kom­men. Sie weiß nicht, was eine gute Idee aus­macht und erkennt nicht, ob die Idee tat­säch­lich eine Lösung für ein Pro­blem dar­stellt. Hier feh­len ihr auch wich­tige mensch­li­che Eigen­schaf­ten: eine Vision, die vage Vor­stel­lung von einer genia­len Lösung und das eupho­risch drän­gende Bestre­ben, diese zu suchen. 

👎 Ent­wick­lung
Die KI besitzt keine Inten­tion, eine gute Lösung zu fin­den. Es fehlt die Freude und der Stolz, wenn man gemein­sam im Team Berge ver­setzt hat, gefolgt von der Lei­den­schaft, dran zu blei­ben und die Idee wei­ter zu trei­ben. Möchte man das an die KI abtre­ten? Es macht auch wenig Sinn, denn mit einer Samm­lung an Ideen­an­sät­zen kommt man nicht weit. Bis zu einer guten und stim­mi­gen Inno­va­tion, die auch bei den Con­su­mern Begeis­te­rung weckt, ist es noch ein lan­ger Weg. Aber die KI kann ein wert­vol­ler Beglei­ter im Pro­zess sein, Inspi­ra­tion bie­ten, über Denk­bar­rie­ren hin­weg­hel­fen und den Pro­zess ohne qua­li­ta­tive Abstri­che beschleunigen.

Zum Schluss: Wenn Sie mehr über unsere Arbeit und unsere Erfah­run­gen mit dem Ein­satz gene­ra­ti­ver KI in kon­kre­ten Pro­jek­ten erfah­ren möch­ten, kon­tak­tie­ren Sie uns gerne.

Ergän­zende Infos zum Testsetting

Für die Gene­rie­rung von Tex­ten wurde ChatGPT auf Basis von GPT3.5 und GPT4 (haupt­säch­lich) des Unter­neh­mens Ope­nAI genutzt

Die Prompts für ChatGPT (schrift­li­che Text­an­wei­sun­gen) wur­den hin­sicht­lich Anwei­sung, Menge an vor­ge­ge­be­nen Hin­ter­grund-Infos und „Tem­pe­ra­tur-Vor­gabe“ sys­te­ma­tisch vari­iert: Die „Tem­pe­ra­tur“ (Werte zwi­schen 0 und 1) beein­flusst die „Emo­tio­na­li­tät“ der Ant­wort

Für die Bild-Gene­rie­rung wur­den Mid­jour­ney in der Ver­sion 5.2 und Adobe Fire­fly genutzt: Adobe Fire­fly ist seit kur­zem Teil von Adobe Pho­to­shop

Sowohl für Text- wie für Bild­ge­ne­rie­rung wurde zudem Neu­ro­flash ver­wen­det: Neu­ro­flash ist eine deutsch­spra­chige KI-gestützte-Soft­ware zur auto­ma­ti­schen Text- und Bild­ge­ne­ra­tion, die wei­tere Funk­tio­nen bie­tet wie z.B. die auto­ma­ti­sierte gezielte Erstel­lung von Social Media Posts

Die Refe­renz-Pro­jekte, die zum Ver­gleich her­an­ge­zo­gen wur­den, waren aktu­elle Pro­jekte aus den Berei­chen Medien, Tele­kom­mu­ni­ka­tion und Tou­ris­mus

Das Expe­ri­ment wurde im Sep­tem­ber 2023 durchgeführt

Aus­ge­wählte Lite­ra­tur- und Leseempfehlungen

Über das mensch­li­che Den­ken und wieso es sich deut­lich von der Arbeits­weise von KI unterscheidet:

Dou­glas Hof­stad­ter, Emma­nuel San­der: Die Ana­lo­gie. Das Herz des Den­kens. 2013

Ronald Finke: Crea­tive Imagery. Dis­co­veries and Inven­ti­ons in Visua­liza­tion. 2014

Fred Mast: Black Mamba oder die Macht der Ima­gi­na­tion. 2020

Was den Men­schen und das Mensch­li­che im Ver­gleich zur KI ausmacht:

Tho­mas Fuchs: Ver­tei­di­gung des Men­schen. Grund­fra­gen einer ver­kör­per­ten Anthro­po­lo­gie. 2022

Michael Schütz: Warum ChatGPT nicht intel­li­gent ist (Bei­trag in der Pla­nung & Ana­lyse, 2023)

Ein umfas­sen­des Kom­pen­dium zum Thema KI:

Sven Krü­ger: Die KI-Ent­schei­dung. Künst­li­che Intel­li­genz und was wir dar­aus machen. 2021

Über die Fein­hei­ten der Design­wir­kung - emp­feh­len wir natür­lich unser eige­nes Buch:

Monika Heimann, Michael Schütz: Wie Design wirkt. Psy­cho­lo­gi­sche Prin­zi­pien erfolg­rei­cher Gestal­tung. 2017

Ver­wandte Bei­träge in die­sem Blog:

Schlam­pi­ges Den­ken – über das beson­ders Mensch­li­che des mensch­li­chen Den­kens und der mensch­li­chen Kreativität

Krea­tiv­tech­nik: Äpfel mit Bir­nen ver­glei­chen – Eine Anlei­tung zur Ver­wen­dung der von uns ent­wi­ckel­ten Krea­ti­vi­täts­tech­nik „Nimmo“

Dis­clai­mer

Die­ser Text wurde ohne Zuhil­fe­nahme von KI geschrie­ben. Das Titel­bild (Col­lage) kann geringe Spu­ren von KI ent­hal­ten (und viel Hand­ar­beit in Pho­to­shop). Die Kapi­tel­tren­ner sind zu 100% human her­ge­stellt und frei von syn­the­ti­schen Zutaten.

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