Werden wir Marktforscher, Innovationsentwicklerinnen und Designer überhaupt noch gebraucht oder übernimmt die KI unsere Aufgaben, weil sie es besser kann? Kann uns umgekehrt KI bei unseren Prozessen überhaupt irgendwie nützlich sein, oder ist der beste Weg ein glückliches Win/Win-Team? Dieser Frage sind wir in einem Experiment nachgegangen.
Die Diskussion um künstliche Intelligenz (KI) reicht von überzogenen Erwartungen über praktische Use Cases bis hin zur Ernüchterung. Obwohl auch wir KI bereits seit etwa einem Jahr in unseren Projekten einsetzen und einiges an Erfahrung gewinnen konnten, wollten wir es einmal ganz genau wissen: an welchen Stellen wir KI gewinnbringend in unserer Arbeit einsetzen können und wo das Setzen auf MI (Menschliche Intelligenz) die bessere Wahl ist.
Was heißt „unsere Arbeit“? Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir Innovationen, Prototypen oder Design-Manuals auf Basis psychologisch-kreativer Forschung. Dazu arbeiten wir interdisziplinär mit dem eigens entwickelten Mindset InsightArt. Wir denken Forschung und Innovation zusammen – beides verschmilzt zu einem Prozess: Innovationsgeleitete Forschung und Forschungsgeleitete Innovation. Die Erkenntnisse aus unserem Experiment lassen sich jedoch sicher auch auf anders geartete Forschungs- und Entwicklungsprozesse zumindest teilweise übertragen.
Als Referenz für das Experiment haben wir mehrere unserer real – also rein mit MI in „Handarbeit“ – durchgeführten Projekte herangezogen, bei denen wir den gesamten F&E Prozess durchlaufen haben: Psychologische Forschung, Innovationsentwicklung, Kommunikations- und Designkreation. Jeden Schritt haben wir von verschiedenen KIs in Kombination ausführen lassen – zum Einsatz kamen ChatGPT, Neuroflash, Midjourney und Adobe Firefly. Dabei haben wir die Aufgaben in verschiedenen Settings durchgeführt und jeweils mit den Ergebnissen aus den MI Projekten verglichen:
- KI als Forscher:
Die KI wurde angewiesen uns ohne vorheriges Füttern mit Informationen Forschungsergebnisse zum jeweiligen Forschungsthema zu liefern - KI als Proband:
Hier wurde die KI mit denselben Fragen konfrontiert, die wir den menschlichen Probanden in den realen psychologischen Gesprächen gestellt haben - KI als uninformierter Ideenentwickler:
Die KI sollte ohne Kenntnis von Forschungsergebnissen Ideen entwickeln - KI als freier Ideenentwickler:
Die KI erhielt zuvor von uns Information aus den Forschungsergebnissen der realen Projekte, z.B. Persona-Beschreibungen, und sollte auf dieser Basis frei Ideen entwickeln - KI als Teilnehmer eines Entwicklungsworkshops:
Die KI durchlief einen strategischen Kreations-Entwicklungsprozess auf der Basis unserer realen Workshopkonzepte mit speziell für die Aufgabe entwickelten Verfahren - KI als Designer:
Die KI erhielt ein Kreativ-Briefing aus den Forschungsergebnissen und sollte Design-Ideen für die Kommunikation entwickeln und diese umsetzen (ChatGPT schreibt die Anweisungen – den Prompt – für die Bildgenerierungs-KI Midjourney)
In jedem Setting wurde systematisch das Prompting variiert (zu Details der Testsettings s.u. im Kasten).
KI als Forscher
Müssen wir noch selbst forschen? Die Ergebnisse, die ChatGPT zeilenweise und in Bulletpoints ausspuckte, waren gar nicht mal so weit von unseren Ergebnissen entfernt. Wurde die KI vielleicht auch mit unseren Forschungsergebnissen trainiert?
Auf dem zweiten Blick fiel aber auf, dass uns ein Aufzählen der Bedürfnisse und Motive, warum jemand z.B. eine Handyversicherung abschließt oder einen Gesundheitsurlaub bucht, nicht weiterhilft. Welches der Bedürfnisse wesentlich ist oder vielleicht nur ein Unterpunkt eines anderen Bedürfnisses ist, wurde nicht ersichtlich. Verglichen mit unseren Ergebnissen fehlte der zugrundeliegende psychologische Kern gänzlich, der auch nur aus dem Kontext des Zeitgeistes zu ermitteln war.
Auch die für uns wesentliche psychologische Struktur ließ sich nicht ausmachen: In welchen Spannungsverhältnissen stehen die Motive, welche Dynamiken und Wendepunkte gibt es, bei denen Zuspruch zum Produkt in Widerspruch kippt. Ebenso fehlten atmosphärische Qualitäten und eine Einordnung in den kulturellen Kontext – all diese grundlegenden Erkenntnisse für das Verstehen aus der psychologischen Analyse waren in der Bulletpoint-Auflistung nicht auszumachen.
Fazit: Plausibel und nicht ganz falsch, aber zu oberflächlich. Eine Internet-Recherche zum Thema hätte uns vermutlich ähnliche Ergebnisse gebracht. Eine solche Vorrecherche machen wir oft, um für die Leitfadenerstellung in ein Thema hinein zu kommen. Eigene Recherche nimmt viel mehr Zeit in Anspruch, hat aber den Vorteil, zu wissen, aus welchen Quellen die Information stammt. ChatGPT sucht sich die wahrscheinlichsten Antworten irgendwoher. Wurde die KI mit vielen seriösen Daten aus bereits vorhandenen Studien zum Thema gefüttert, sind die Ergebnisse gut und können eine aufwendige eigene Vorrecherche ersetzen. Gerade bei Innovationsforschung kommt es aber häufig vor, dass man ein ganz neues Thema erforscht, zu dem es noch nicht viel verlässliches Wissen gibt.
KI als Proband
Bei diesem Setting zeigten sich die Defizite schon beim ersten Lesen – irgendwie so zwischen den Zeilen. Uns wehte etwas Ähnliches entgegen wie unseren echten Probanden bei einer Studie zum Thema KI-Journalismus, die wir letztes Jahr durchgeführt haben. „Irgendwie … so lieblos“ hieß es da oder „Das hat auf jeden Fall jemand geschrieben, der bei dem Event nicht selbst dabei war, so vom Hören-Sagen abgekupfert“. Ein Beispiel: ChatGPT wurde mit Insights zu einem Urlauber-Typus gefüttert und gebeten: „Versetze dich in die Situation des ‚Unzufriedenen‘ und beschreibe dein Lebensgefühl.“ Die Antwort:
„Mein Lebensgefühl ist geprägt von einer beständigen Diskrepanz zwischen den aktuellen Lebensumständen und den persönlichen Erwartungen oder Wünschen. Es manifestiert sich in einem Gefühl der Unvollständigkeit, einer permanenten Unzufriedenheit mit externen Faktoren. Es besteht der Wunsch nach einer Veränderung, jedoch oft ohne klaren Pfad zu dessen Realisierung“
Alles richtig. Aber: So gestelzt redet doch kein Mensch!
Im Vergleich mit den Antworten aus den realen Gesprächen zur selben Frage fiel uns auf, dass die Probanden mehr Metaphern benutzt hatten, oft hin und her überlegten, vorher Gesagtes nochmal anders formulierten – so als spürten sie im Moment des Beschreibens ihren Gefühlen regelrecht körperlich und sinnlich nach. Das hat uns dazu veranlasst, ChatGPT die gleiche Aufgabe noch einmal zu stellen, haben aber um die Verwendung von Metaphern gebeten.
Hier ein Teil des Ergebnisses – nur ein Teil, denn er hörte gar nicht mehr auf …
„Mein Lebensgefühl ist, als würde ich ständig in zu engen Schuhen laufen, während ich durch einen Wald von missbilligenden Statuen navigiere, die ständig den Finger heben. Mein Inneres gleicht einer verlassenen Bibliothek, wo Staub und Schatten die einst lebendigen Geschichten überlagern. Die Tage ziehen vorbei wie endlose Zugwaggons, die ich von der Plattform eines Bahnhofs betrachte, ohne je einen Fuß hinein zu setzen…“
Wer mal ein interessantes Buch dazu lesen möchte, welch komplexe menschliche Leistung es ist, die passenden Methapern, Analogien oder Idiome zu finden, dem empfehlen wir Douglas Hofstadter „Die Analogie: das Herz des Denkens“.
Manche Metaphern gelingen ChatGPT auch ganz gut, denn er kann sehr gut simulieren, dass er über ein Herz des Denkens verfügen würde. Bei längeren Texten merkt man aber doch: Er hat nicht selbst erlebt, nicht selbst wahrgenommen oder selbst gehandelt, sondern seine Wortkreation nur rekombiniert und variiert und das spürt man auch – irgendwie – zwischen den Zeilen.
Fazit: KI ist ein guter Simulant, die aber für authentische Beschreibungen von Erlebnissen, Ereignissen, Handlungen und Gefühlen nicht taugt, weil ein Computerprogramm keinen Körper, keine Sinne und auch keine Gefühle hat – auch wenn sie das oft gut vortäuschen kann. Das hilft uns bei der psychologischen Analyse von KIs weiter, aber nicht bei der von menschlichem Erleben und Verhalten.
KI als uninformierter Ideenentwickler
Als Vergleich für diese Aufgabe an die KI hatten wir zu einem konkreten Thema eine Liste mit 30 ausführlich beschriebenen Ideen vorliegen, die wir für einen Kunden entwickelt haben. Diese waren auch schon sortiert nach: kleine Verbesserung, große Verbesserung und disruptive Idee. ChatGPT nannte überwiegend Ideen, die es schon auf dem Markt gibt – wir hatten ja auch ausführlich recherchiert. Die ein oder andere Idee entsprach unseren kleinen Verbesserungen, z.B.: „Persönlicher Konnektivitätsberater: Jeder Kunde erhält einen persönlichen Berater, der hilft, das beste Angebot basierend auf dem individuellen Nutzungsprofil zu finden.“. Verivox lässt grüßen.
Zusätzlich kamen Ideen, die wir nicht aufgelistet hatten, weil sie nicht den Ergebnissen der Forschung entsprachen, z.B.: „Integrierte Virtual Reality-Kommunikation: Statt eines einfachen Videoanrufs könnten Kunden bei der Kundenberatung eine VR-Brille aufsetzen“ Telefon und Email etc. wurden auch deshalb erfunden, damit man mit Menschen wie dem Kundenberater, mit dem man keine persönliche Beziehung möchte, nicht face to face sprechen muss. Daher erwies sich schon der Videoanruf als kritisch, dreidimensional dürfte er das noch mehr sein.
Fazit: Eher keine Hilfe, weil überwiegend naheliegende, herkömmliche Ideen entstehen oder an den Bedürfnissen der Konsumentinnen vorbei
KI als freier Ideenentwickler
Bei dieser Aufgabe erhielt die KI vorab die Ergebnisse der real durchgeführten psychologischen Studie und sollte auf dieser Basis Ideen entwickeln, also ähnliches Ausgangsmaterial wie wir selbst bei der Ideenentwicklung hatten. Die Ideen gingen überwiegend nicht mehr an den Bedürfnissen vorbei, griffen dafür aber oft ziemlich eindimensional die Informationen aus der Studie auf, z.B. zum Gesundheitsurlauber, der gestresst ist: „Waldyoga und Meditation zur Entspannung: Spezielle Plattformen oder Lichtungen im Wald, die für Yoga- und Meditationssitzungen reserviert sind.“. Die Wälder um Kurorte sind auch schon halb gerodet, so viele solcher Yogaplattformen gibt es da schon.
Fazit: Die Ideen sind zu naheliegend und haben eine geringe Schöpfungshöhe. Oft sind es nur Beschreibungen eines Insights als Idee. Interessant war hier für uns, dass das Füttern mit Insights offenbar die Kreativität der KI einschränkt – ähnlich wie wir es bei menschlichen Teilnehmenden von Kreationsworkshops kennen. Diesem Problem haben wir uns daher beim nächsten Setting angenommen.
KI als Teilnehmer eines Entwicklungsworkshops
Menschen sind Gewohnheitstiere und verlassen sich auf bekannte Denkmuster. Das hat auch große Vorteile, denn auf das Bewährte zu setzen ist sicherer und geht auch meist schneller – Routinen sind auch seelen-ökonomisch effizient. Das verhindert aber ein Outside the Box-Denken. Dafür wenden wir in Kreativworkshops Verfahren zur sog. „Schöpferischen Zerstörung an“. Ein solches selbst entwickeltes Verfahren und in vielen Workshops erfolgreich erprobt ist unsere “Nimmo”-Technik. Diese haben wir mit ChatGPT durchgespielt, zunächst an einem konstruierten Beispiel: eine Waschmaschine verbessern, indem man zuerst die Vorteile eines Apfels gegenüber einer Waschmaschine auflistet und diese dann wieder auf die Waschmaschine überträgt und so zu neuen Ideen kommt. Zur Überprüfung haben wir selbst eine solche Liste angelegt mittels MI.
Die erste positive Reaktion von ChatGPT: Während menschliche Teilnehmer oft erst irritiert sind und manche es für Quatsch halten, Äpfel mit Waschmaschinen zu vergleichen, war ChatGPT sofort bereitwillig bei der Sache. Hier zeigt sich der Vorteil der KI, dass sie keine einschränkenden Denkmuster besitzt – wenn man ihr solche nicht gibt wie im vorherigen Setting die Insights. Zuerst waren die Ideen für die Vorteile des Apfels noch relativ naheliegend und förderten nur einen Teil der Ideen unserer Liste hervor. Mit der Bitte an die KI, auch entfernter liegende Ideen zu suchen, übertraf sie unsere Liste schließlich noch leicht.
Der zweite Teil der Aufgabe – aus den Vorteilen des Apfels Ideen für eine bessere Waschmaschine zu entwickeln – geriet dann jedoch zu stark ins Fantasievolle und es fehlte der Realitätsbezug, z.B.: „Mystik und Folklore (Apfel in Legenden): Eine Waschmaschine, die in Zusammenarbeit mit Geschichtenerzählern und Designern entwickelt wurde, um Geschichten und Mythen in ihre Funktion und ihr Design zu integrieren, sodass jede Wäsche eine Reise in eine andere Welt ist.“ Wir haben dann die KI-Tools gebeten, eher praktische Ideen zu entwickeln. Technisch-praktische Ideen scheint ihnen besser zu liegen, z.B. nicht schlecht war:
„Energie- und Wassereffizienz: Durch den Einsatz von fortschrittlichen Sensoren und Algorithmen kann die Maschine den Wasser- und Energieverbrauch basierend auf der aktuellen Beladung optimieren, wodurch Ressourcen gespart und die Betriebskosten gesenkt werden.“
Als nächsten Schritt haben wir wieder ein reales Projekt als Vorlage genommen, bei der der KI die Insights schon bekannt waren. Die strategische Vorgehensweise mithilfe kreativer Verfahren funktionierte auch in diesem Fall gut. Die Insights wirkten nicht mehr einschränkend.
Fazit: Die KI erweist sich als guter Teilnehmer für Entwicklungsworkshops. Sie braucht keine schöpferische Zerstörung, sondern macht sofort bereitwillig mit. Die Kreations-Strategie, in welchen Schritten sie vorgehen soll, muss man ihr aber vorgeben. Die Kenntnis der Insights wirkt dann auch nicht einschränkend und es entstehen nicht nur herkömmliche Ideen, sondern durchaus Fantasievolle. Zur Nimmo-Technik konnte ChatGPT sich auch die Anmerkung nicht verkneifen: „Interessante Herausforderung! Wir nutzen also die Vorteile des Apfels als Inspiration, um eine bessere Waschmaschine oder den Wäschewaschprozess zu entwickeln“, inklusive Zwinker-Smiley – hier simuliert sie natürlich wieder, denn eine Software kann natürlich nichts interessant finden.
KI als Designer
Die Insights zum Gesundheitsurlaub kannte die KI schon und sollte auf dieser Basis eine Bildidee entwickeln. Sie bemühte sich auch redlich, die Insights zu visualisieren mit z.B. dem Ergebnis, das schon verkürzt ist:
„Eine Person (vielleicht in Rückenansicht, sodass sich die Zielgruppe mit der Person identifizieren kann) liegt auf einer gemütlichen Liege, umgeben von weichen Kissen und ein Getränk oder ein Buch könnte neben ihr liegen, symbolisch für die Entspannung und das “Verwöhnen-Lassen”. Neben der Liege könnte ein kleiner Tisch stehen, auf dem Infobroschüren oder Bücher zu verschiedenen “Alternativen für einen anderen Alltag” liegen. Im Mittelfeld: Ein Pfad oder Weg, der von der Liege wegführt und zu einer versteckten, nur halb sichtbaren Tür oder einem Tor führt – dies symbolisiert die Möglichkeit, in die Tiefe des eigenen Selbst einzutauchen. Im Hintergrund eine atmosphärisch dichte und ergreifende Landschaft. Denkbar wäre ein Wald, der von einem zarten Nebel umhüllt wird, mit hohen, alten Bäumen, geheimnisvoll schimmernder See und einige wenige Silhouetten von Menschen angedeutet , die “Alleinsein oder in einer kleinen Gemeinschaft” betont.“
Im Prinzip alles drin, an alles gedacht, aber nicht nur Midjourney war mit der Umsetzung völlig überfordert, sondern jeder menschliche Designer wäre es – und auch der Betrachter, denn bei all den Dingen, die hier auf einem Bild dargestellt werden sollen, entsteht eher ein Suchbild. Darüber hinaus passen die Kissen atmosphärisch nicht zum nebelig-unheimlichen Wald, und ein mystisches Tor in die Unterwelt der Seele mitten in der Landschaft lässt sich vom Look&Feel gar nicht mit einem Stapel Infobroschüren vereinen.
Andere Bildideen und die anschließenden Ausführungen durch Midjourney fielen weniger überfüllt und uneinheitlich aus, waren dafür aber eher stereotyp und wenig kreativ und originell – so wie sie schon in Tausend Werbeanzeigen von Kurorten zu sehen sind. Oder sie passten nicht so ganz zu den Bedürfnissen, vor allem wenn eher unterschwellige Bildbotschaften etwas nur leicht andeuten oder fein Nuanciertes darstellen sollten, wie z.B. bei einem erwartungsvoll freudigen und gleichzeitig zögerlichen Gesichtsausdruck.
Ähnlich schwierig war für die KI übrigens auch die Aufgabe, Ideen für unseren in der Fachzeitschrift Planung & Analyse erscheinenden Cartoon „Wissbert, der Marktforscher“ zu entwickeln: So unfreiwillig komisch die ernst gemeinten metaphorischen Beschreibungen waren, die ChatGPT als „Proband“ präsentierte, so wenig witzig waren es die Ideen für Geschichten, die humorvoll sein sollten: Bestenfalls bemüht witzig, und oft so, dass man die Szene gar nicht in ein gezeichnetes Cartoonbild umsetzen könnte.
Fazit: Bei der Entwicklung von Designs zeigt sich wieder dasselbe Defizit wie bei den Metaphern. Der KI fehlt das sinnliche Vorstellungsvermögen. Sie puzzelt im Prinzip richtig verstandene Insights ohne Gefühl für ästhetische Stimmigkeit beliebig zusammen, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie das Ganze auf nur ein Bild passt – und da fehlt ja auch noch das Logo und andere Bildelemente, die ebenso um Aufmerksamkeit buhlen.
Unterstützung bieten allenfalls Midjourney und Firefly als eine Art ‘Hilfsgrafiker’ bei der Umsetzung einer (eigenen) Bildidee. Derzeit ist es aber zumeist noch nötig, die von der KI generierten Bilder in Photoshop zu bearbeiten – oder sich von ihr die einzelnen Bildelemente wie Protagonisten, Hintergrund oder Objekte generieren zu lassen und in Photoshop selbst zu einem stimmigen Bild zu komponieren. Ob künftigen Generationen Bild-generierender KI, wie das zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Artikels angekündigte Dall‑E 3, besser gelingt, auch komplexere Kompositionen per Text-Prompt gezielt zu erzeugen, wird sich zeigen. Ein Bild sagt (und braucht) bekanntlich mehr als 1000 Worte.
Der Mensch und KI als Win/Win Team
Das kleine Experiment hat uns tatsächlich mehr Klarheit verschafft. In der Zusammenschau ist das Ergebnis sogar einfach.
Positiv – und das werden wir in Zukunft noch häufiger gezielt nutzen:
👍 Recherche und Brainstorming
Der große Fundus an Wissen und die Fähigkeit der KI, die Informationen schnell in gewünschter Weise zu verknüpfen und aufzubereiten, kann bei der Vorrecherche unterstützen – sofern es sich nicht um ein völlig neues Produkt handelt. Man sollte auch skeptisch bleiben, ob die Infos richtig sind, weil die Quellen nicht bekannt sind. Vorrecherche und Themen-Brainstorming helfen bei der Erstellung des Leitfadens für Gespräche mit echten Menschen.
👍 Fantasievolle Ideensammlung
Die KI erweist sich zudem als wertvoller Teilnehmer für einen Kreationsworkshop. Sie ist offen für jede noch so ungewöhnliche Aufgabe bei der Ideenentwicklung und kann auch sehr fanatsievolle Kreationen hervorbringen. Man muss ihr jedoch eine durchdachte Strategie vorgeben, um ihr die Kompetenz, ungewöhnliche und dennoch Insightsbasierte Ideen zu entwickeln, zu entlocken.
👍 Bild-Generierung nach Vorgabe
Das gleiche gilt für die Generierung eigener (also menschlicher) Bildideen. Gerade in der Design Guide Exploration benötigt man eine Vielzahl an unterschiedlichen Bildmotiven als Test- und Triggermaterial. KI macht ein wenig unabhängiger von Stockfotos, spart etwas Zeit und ermöglicht die Realisierung der ein oder anderen Bildidee, die sonst deutlich aufwändiger wäre, würde man sie in Photoshop komplett selbst montieren. Die Systematik der Bildauswahl auf Basis der Forschungsergebnisse kann sie uns aber ebensowenig abnehmen wie die Entwicklung der Bildideen selbst.
Grenzen zeigen sich deutlich bei allen Fähigkeiten, die Erleben, körperliche und sinnliche (Lebens-)Erfahrung und Intentionalität erfordern. Hier sollte man vorsichtig sein und nicht der (teils guten) Simulation der Tools aufsitzen:
👎 Verstehen
Menschlicher Input ist unerlässlich, wenn man wirklich wissen möchte – und das möchten wir in der psychologischen Forschung – wie Menschen etwas erleben, sich vorstellen und fühlen, und wenn man grundlegend und tiefgreifend verstehen möchte, warum sich Menschen so verhalten, wie sie es tun. Das Defizit, dass die KI am Ende doch nur menschliche Eigenschaften simuliert, zeigt sich bei der Kreationsentwicklung besonders im Design, aber ebenfalls in der Realitätsferne bei Produktideen: eine Waschmaschine aus Bambus mag die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllen, scheitert aber sicher an einigen physikalischen Gesetzen.
👎 Stimmigkeit
Die KI weiß auch nicht, ob etwas stimmig ist, z.B. wenn Probanden sich irgendwie seltsam ausdrücken und dies ein Hinweis ist, nochmal nachzuhaken, um dem Eigentlichen, das hinter einem Bedürfnis steckt, auf die Spur zu kommen. Sie weiß nicht, was eine gute Idee ausmacht und erkennt nicht, ob die Idee tatsächlich eine Lösung für ein Problem darstellt. Hier fehlen ihr auch wichtige menschliche Eigenschaften: eine Vision, die vage Vorstellung von einer genialen Lösung und das euphorisch drängende Bestreben, diese zu suchen.
👎 Entwicklung
Die KI besitzt keine Intention, eine gute Lösung zu finden. Es fehlt die Freude und der Stolz, wenn man gemeinsam im Team Berge versetzt hat, gefolgt von der Leidenschaft, dran zu bleiben und die Idee weiter zu treiben. Möchte man das an die KI abtreten? Es macht auch wenig Sinn, denn mit einer Sammlung an Ideenansätzen kommt man nicht weit. Bis zu einer guten und stimmigen Innovation, die auch bei den Consumern Begeisterung weckt, ist es noch ein langer Weg. Aber die KI kann ein wertvoller Begleiter im Prozess sein, Inspiration bieten, über Denkbarrieren hinweghelfen und den Prozess ohne qualitative Abstriche beschleunigen.
Zum Schluss: Wenn Sie mehr über unsere Arbeit und unsere Erfahrungen mit dem Einsatz generativer KI in konkreten Projekten erfahren möchten, kontaktieren Sie uns gerne.
Ergänzende Infos zum Testsetting
Für die Generierung von Texten wurde ChatGPT auf Basis von GPT3.5 und GPT4 (hauptsächlich) des Unternehmens OpenAI genutzt Die Prompts für ChatGPT (schriftliche Textanweisungen) wurden hinsichtlich Anweisung, Menge an vorgegebenen Hintergrund-Infos und „Temperatur-Vorgabe“ systematisch variiert: Die „Temperatur“ (Werte zwischen 0 und 1) beeinflusst die „Emotionalität“ der Antwort Für die Bild-Generierung wurden Midjourney in der Version 5.2 und Adobe Firefly genutzt: Adobe Firefly ist seit kurzem Teil von Adobe Photoshop Sowohl für Text- wie für Bildgenerierung wurde zudem Neuroflash verwendet: Neuroflash ist eine deutschsprachige KI-gestützte-Software zur automatischen Text- und Bildgeneration, die weitere Funktionen bietet wie z.B. die automatisierte gezielte Erstellung von Social Media Posts Die Referenz-Projekte, die zum Vergleich herangezogen wurden, waren aktuelle Projekte aus den Bereichen Medien, Telekommunikation und Tourismus Das Experiment wurde im September 2023 durchgeführt |
Ausgewählte Literatur- und Leseempfehlungen
Über das menschliche Denken und wieso es sich deutlich von der Arbeitsweise von KI unterscheidet:
Douglas Hofstadter, Emmanuel Sander: Die Analogie. Das Herz des Denkens. 2013
Ronald Finke: Creative Imagery. Discoveries and Inventions in Visualization. 2014
Fred Mast: Black Mamba oder die Macht der Imagination. 2020
Was den Menschen und das Menschliche im Vergleich zur KI ausmacht:
Thomas Fuchs: Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie. 2022
Michael Schütz: Warum ChatGPT nicht intelligent ist (Beitrag in der Planung & Analyse, 2023)
Ein umfassendes Kompendium zum Thema KI:
Sven Krüger: Die KI-Entscheidung. Künstliche Intelligenz und was wir daraus machen. 2021
Über die Feinheiten der Designwirkung - empfehlen wir natürlich unser eigenes Buch:
Monika Heimann, Michael Schütz: Wie Design wirkt. Psychologische Prinzipien erfolgreicher Gestaltung. 2017
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Disclaimer
Dieser Text wurde ohne Zuhilfenahme von KI geschrieben. Das Titelbild (Collage) kann geringe Spuren von KI enthalten (und viel Handarbeit in Photoshop). Die Kapiteltrenner sind zu 100% human hergestellt und frei von synthetischen Zutaten.