Segmentierungen, Typologien und Umgangsformen: Was sind die Unterschiede, welche Vorteile bieten sie?
Typologien sind aus der Marktforschung nicht wegzudenken. Sie geben Orientierung über die eigenen und potentiellen Zielgruppen und sind Grundlage für weitreichende Marketing-Entscheidungen. Typologien machen oft auch Spaß. Wenn sich die Presse einmal für eine veröffentlichte Studie von uns interessiert hat, war es i.d.R. die Typologie, über die dann berichtet wurde. Dies liegt auch daran, dass sich in einer Typologie jeder selbst einordnen kann – und, seien wir mal ehrlich, Menschen interessieren sich doch in erster Linie für sich selbst. Typologien sind dann eine Art moderne Variante der Sternzeichen, und Horoskope liest ja auch jeder gerne.
Geht es um das Thema „Umgang mit der eigenen Gesundheit“, dann kennt sicher jeder den Typus des „Unentschlossenen“. Das sind die, die sich jedes Jahr neu in einem Fitness-Studio anmelden und dann nie hingehen. Ganz anders als der „Selbstoptimierer“, der im fortgeschrittenen Alter noch einen Halbmarathon läuft, weil er dem Altern und dem Tod förmlich davonrennen will. Will man nicht sein, oder? Dann doch lieber ein „Achtsamer“, der in der Sinnerfüllung seinen Lebenszweck sieht, und Gesundheit vergeistigt.
Nun gibt es aber verschiedenen Typen von Typologien, die man sorgsam unterscheiden sollte, denn jeder Typologie-Typ bietet andere Vorteile.
Für einen ersten Typus von Typologien passt der Begriff Segmentierung ganz gut. Darunter verstehen wir v.a. quantitativ ermittelte Gruppen von Menschen in der Bevölkerung. Das lässt sich nach soziodemografischen Merkmalen tun, oder nach relativ überdauernden Werthaltungen und Einstellungen, etwa zu Arbeit, Familie, Freizeit und Konsum. Ein Beispiel dafür sind die SINUS Milieus. So angereichert sind sie aber schon mehr als nur Segmente. Wir könnten diesen zweiten Typus als eigentliche Typologie bezeichnen. Die Typen werden meist anschaulich beschrieben, so dass man sich konkrete Menschen darunter vorstellen kann. Im Medienbereich ist z.B. die MedienNutzerTypologie (MNT) beliebt. Von „Spaßorientierten“ oder „Traditionellen“ kann sich jeder schnell ein Vorstellungsbild machen.
Segmentierungen und eigentliche Typologien gehen meist ineinander über. Einmal stehen mehr die Gruppen im Vordergrund, einmal mehr pars pro toto ein bestimmter Typus von Mensch (der sich in einer „Persona“ noch weiter konkretisieren lässt — hier ein paar Tipps zur Erstellung einer Persona).
Gemeinsam ist ihnen aber, dass immer Menschen typisiert werden. Klingt jetzt banal, ist es aber nicht, denn es gibt noch den dritten Typus von Typologie: Die Umgangsformen. Psychologisch-morphologische Studien etwa typisieren keine Menschen, sondern typische Formen des Umgangs mit einem Produkt. Diese Umgangsformen lassen sich i.d.R. nicht Menschengruppen zuordnen. Ein und derselbe Mensch pflegt womöglich morgens eine andere Umgangsform als abends. Trinkt man ein Feierabend-Bier mit den Kolleg*innen im Büro, steht eine andere Umgangsform im Vordergrund als bei der Party mit Freunden. Die oben zitierten Typen zum Umgang mit Gesundheit sind auch keine überdauernden Persönlichkeitsmerkmale bestimmter Gruppen. Ein „Unentschlossener“ kann ich auch nur vorübergehend sein.
Solche Typologien eignen sich z.B. dafür, ein Produkt zu positionieren, weil Umgangsformen eng an den Produktbereich gekoppelt sind. Wenn alle Bierhersteller auf Premium machen, warum dann nicht eine andere Umgangsform bedienen und ein Saufbier auf den Markt bringen? Darauf ein Astra! Was dagegen? In manchen Märkten macht es sogar mehr Sinn, nur mit solchen produktbezogenen Umgangsformen zu arbeiten als mit Segmentierungen oder klassischen Typologien, schlicht, weil die Verbraucher*innen nicht mehr eindeutig kategorisierbar sind. Hier bieten Umgangsformen die zuverlässigere Grundlage.
Oft werden in einem Unternehmen auch mehrere Typen von Typologien nebeneinander genutzt. Da gibt es die SINUS Milieus, mit denen man vielleicht schon seit vielen Jahren arbeitet, und daneben eine produktbezogene Typologie von Umgangsformen. Wenn man weiß, was ihre Unterschiede und jeweiligen Vor- und Nachteile sind, und wieso sie sich gar nicht widersprechen können, lässt sich mit beiden zugleich sehr gut arbeiten.