Wie gestaltet man eine Webseite für Zielgruppen, die Fans von etwas sind, das man selbst nur sehr begrenzt nachvollziehen kann?
Beim Design der ersten Webseite des 1. FC Köln, 1997, blieb die kritische Frage, ob sich die Fans des FC mit dem Design identifizieren konnten, ungeklärt. Über solche „Details“ hatte man sich zu dieser Zeit noch wenig Gedanken gemacht, war man doch froh, überhaupt etwas Ansehnliches, das nur 30 Kb „wiegt“, hinzubekommen. Etwa 4 Jahre später – das Internet hatte sich schon recht gut etabliert – ging es um die Aufgabe, Konzept und Design für eine neue Fanpage für Deutschlands bekanntesten Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein zu gestalten. Auf der Seite sollten neue Bücher von Hohlbein mit Leseproben vorgestellt werden. Fantasy-Computerspiele, Chat und ein Shop mit ausgewählten Fantasy-Produkten sollten ebenfalls auf der Webseite Platz finden. Da war 4 Jahre später also schon mehr möglich!
Gerade auf Fanseiten – so das learning aus den vorangegangenen Jahren des Webseitendesigns – sollte gezeigt werden, dass die Betreiber der Seite sich mit den Vorlieben der Fans auskennen. Besonders ein bekannter Fantasy Autor setzt sich besser in Szene, wenn sich die Fans auf der Webseite in ihrer Fantasy-Welt zuhause fühlen. Die Verwendung einer unpassenden Stilsprache oder falscher Symbole kann möglicherweise regelrecht peinlich sein für die Webseite eines Buchautors, der in der Szene als Idol gilt.
Als Designerin selbst eher weniger in der Welt von Fantasy-Fans beheimatet, war schnell klar, dass eine vorherige Recherche dringend nötig war. Der Vorteil in diesem Genre war – und ist es vermutlich immer noch – dass es hier unzählige private Webseiten von Fantasy-Fans gab, die mit den Augen der Designerin gar nicht mal so gut aussahen (kleiner Nebeneffekt: man fühlt sich als Designerin gebraucht). Die Webseiten waren jedoch sehr aufschlussreich. Vor allem die Gesamtstimmung, die einem beim Anblick entgegen wehte, war lehrreich, aber auch die häufig verwendete Farbigkeit, Symbolik, Ornamentik etc. Zusätzlich dienten Bücher zum Thema und ein Besuch im realexistierenden Fantasy-Shop (Hansaring, Köln) der Recherche.
Selbst wenn die Zielgruppe recht eingegrenzt ist und diese „Subkultur“ eine leicht erkennbare Stilsprache bevorzugt, die sich von anderen Zielgruppen deutlich unterscheidet, ließ sich dennoch nicht von einer einheitlichen Stilsprache sprechen. Es gab Variationen, die man als Außenstehender ohne eine Recherche nicht bemerkt hätte (sonst wäre es ja auch zu einfach gewesen). Es differenzierte sich grob in 3 Richtungen, sodass 3 Entwürfe erstellt wurden.
Mittelalter-Look: Der erste Entwurf bewegte sich leicht in Richtung Rittertum kombiniert mit keltischer Ornamentik und mit einer Brise Heavy Metal und Technik. Hier trafen sich Mittelalter und Science-Fiction, da die Fans oft sowohl Fantasy, Mittelalter als auch Science-Fiction mögen und Heavy Metal nicht abgeneigt sind.
Mystery-Look: Der zweite Entwurf hatte eher Anklänge an Gruselfilme oder Mystery-Serien, eine zusammengebraute Atmosphäre von Geistergeschichten, Hexen, Zauberern, Welten düsterer Geheimnisse und „Akte X“, Mulder und Scully – war zu der Zeit gerade angesagt.
Märchen-Look: Der dritte Entwurf, eine leicht mystisch-düstere Märchenwelt mit Elfen und jugendstilartiger Ornamentik, lebte von ihrer Nähe zu alten Legenden und Fabelwesen. Die Gestaltung bewegte sich in Richtung Märchen für Erwachsene. Im Vergleich zu den beiden anderen war die Atmosphäre lieblicher und verträumter.
Um herauszufinden, welche Richtung die Fans des Autors bevorzugten, wurden die drei Entwürfe der Fangemeinde zum Voting vorgestellt. Als Ergebnis des Votings ging der märchenhafte dritte Entwurf als eindeutiger Sieger hervor (ok, wir von der Agentur fanden den auch am besten und haben mit gevotet, wird aber nicht ausschlaggebend gewesen sein, denn wir hatten auch nur je eine Stimme und waren nur 7, mit 3 echten Fantasie-Fans unter uns). Toll an diesem Voting war auch, dass die Fans auch die Email der Designerin kannten. Der Arbeitstag begann mit dem Lesen von Fan-Mails, die ihre Begeisterung für die Entwürfe zum Ausdruck brachten (Shitstorm-bashing war zu der Zeit noch nicht in Mode). Mit „Toll, was für ein geiles Design!“ lässt sich doch der Arbeitstag auf einem hohen Motivations-Level starten!
(mh)