Was Designer:innen dabei hilft, treffsicherer Wirkung zu gestalten – ein Einblick in die Erstellung eines „Design Guide Manuals“ im Bereich Tourismus.
Entwürfe machen, testen, optimieren. So läuft es oft im Kommunikationsalltag. Doch wäre es nicht inspirierender (und effizienter), schon vor dem ersten Scribble zu wissen, in welche Richtung es sich zu denken lohnt? Was Zielgruppen wirklich anspricht – nicht als einschränkende Vorgabe, sondern als Kompass, der zeigt, welche Bilder, Stimmungen und Worte wirklich etwas auslösen?
Genau hier setzt das Design Guide Manual (DGM) an: Es eröffnet Designer:innen einen Blick in die inneren Wunsch- und Vorstellungsbilder der Konsument:innen. Psychologisch fundiert und ganz konkret zeigt es, mit welchen Stilen, Bildwelten und Aussagen die richtigen sinnlich-assoziativen Resonanzen erzeugt werden können.
Ein Designkompass für die Tourismuskommunikation
Ein solches Design Guide Manual haben wir kürzlich für einen Tourismusverband erstellt. Der Verband vereint rund 50 Heilbäder und Kurorte in Süddeutschland – Orte, die alle vor der gleichen Herausforderung stehen: Sie wollen mit ihrer Kommunikation Menschen erreichen, die bereit sind, in ihrem Urlaub bewusst etwas für ihre Gesundheit zu tun – und die sich dafür ausgerechnet für ihre Destination entscheiden sollen. Ob Wellness-Wochenende oder Aktivurlaub: Die Ansprache dieser Zielgruppen ist anspruchsvoll – gerade weil Gesundheitskommunikation oft zwischen Aktivierung und erhobenem Zeigefinger balanciert.
Viele dieser Orte entwickeln ihre Kommunikation selbst – für Social Media, Webseiten, Flyer. Einige arbeiten mit Agenturen, viele aber auch in Eigenregie. In beiden Fällen ist es schlicht zu aufwendig, ständig neue Entwürfe zu testen, um herauszufinden, was funktioniert. Oft bleibt daher die Unsicherheit: Spricht das Bildmotiv wirklich an – oder schreckt es ab?
Dafür war das Manual eine gute Lösung: Es liefert eine sinnliche, psychologisch fundierte Grundlage für Gestaltung und Text – konkret, inspirierend und praxistauglich. Es zeigt anhand von Moodboards, Design-Prototypen und Sprachbeispielen, mit welchen Stilen, Stimmungen und Begriffen die jeweilige Zielgruppe berührt werden kann – und was man lieber vermeiden sollte. Differenziert nach Zielgruppen, Medientyp und Station in der Customer Journey lässt sich so für jede Destination die passende Kommunikation entwickeln.
Das Manual ist dabei kein Tool für ein einzelnes Projekt, sondern ein langfristig nutzbares Gestaltungsfundament. Denn was Menschen emotional triggert (oder abstößt), verändert sich nicht über Nacht – ebenso wenig wie die Grundprinzipien der psychologischen Wirkung. Diese lassen sich als eine Art von Dialog verstehen: zwischen den Wunschbildern und Erwartungen der Gäste einerseits – und dem, was ein Ort in Bild und Sprache anbietet, andererseits (vgl. Heimann/Schütz: Wie Design wirkt, 2. Aufl., 2025*).
Entscheidend für Praxistauglichkeit – und auch für die Akzeptanz – des Manuals ist es, dass es die kreative Freiheit der Kommunikationsentwicklung nicht einschränkt. Im Gegenteil: Als empirisch fundierte Inspirationsgrundlage soll es gewissermaßen das Suchfeld für erfolgversprechende Kommunikation an die richtige Stelle im Suchraum rücken. Es erlaubt damit auch mutigere Design-Ideen, die man sich vorher vielleicht nicht getraut oder erst gar nicht auf dem Schirm hatte.
Entwicklung des Manuals in explorierend-gestaltenden Workshops
Das Manual wurde im direkten gestalterischen Dialog mit der Zielgruppe entwickelt. In mehreren Workshop-Wellen mit unterschiedlichen Urlaubertypen wurden die Teilnehmenden eingeladen, ihre inneren Bilder, Stimmungen und Wünsche sichtbar zu machen: durch freies Gestalten, durch körperlichen Ausdruck oder das Reagieren auf Bildmotive, Symbole, Begriffe und Stile in einem Triggerkatalog.
Der Triggerkatalog wurde von uns im Vorfeld auf Basis allen vorliegenden Bildmaterials entwickelt. Zudem konnten wir auf Erkenntnisse früherer psychologischer Studien zurückgreifen. Er enthält ein breites Spektrum an Bildwelten, Begriffen, Claims und Stilen – roh und skizzenhaft, vieles davon KI-generiert. Statt Hochglanz ging es um Reizpotenzial: Was ruft Reaktionen hervor? Was lädt zur Diskussion ein? Das Material wurde dabei gezielt systematisch variiert – mal mehr Personen, mal weniger, mal Bewegung, mal Stille –, um genau zu verstehen, was berührt, was Neugierde auslöst, oder was eher abstößt.
Direkt an und mit der sinnlichen Gestaltung wurde exploriert, was und warum bestimmte Gestaltungen bestimmte Reaktionen und Assoziationen auslösen. Psychologisches und gestalterisches Verstehen fanden in einem statt. Dadurch müssen auch keine psychologischen Erkenntnisse später in Design übersetzt werden, da beides in einem transdiszipinären Prozess bereits zusammenfällt.
Das Ergebnis: Konkreter, sinnlicher Input
Das Ergebnis der sinnlich-psychologischen Analyse im Anschluss an die Workshops ist kein theoretisches Nachschlagewerk und keine Empfehlungsliste in Bulletpoints, sondern ein praxisnahes, visuelles Arbeitsmittel. Es enthält Moodboards, Prototypen (ein paar sind in der Collage oben verbraten), Bild-Beispiele, Claims, jeweils bezogen auf einzelne Zielgruppen, Kanäle und die Customer Journey.
Ergänzt wird das Ganze durch eine sinnlich-psychologische Motivlandkarte, die hilft, zentrale inhaltliche Schwerpunkte zu setzen – und zu sehen, mit welchen Mitteln sich diese stimmig bespielen lassen. Dazu kommen praktische Anwendungshilfen, aktuelle Tourismus-Trends, die wichtigsten Mediadaten und ein fiktives Beispiel („Bad Bergenwürth“), das Schritt für Schritt zeigt, wie aus dem Manual eine konkrete Kampagne entsteht.
Wie es weitergeht
Als Nächstes geht es in die Umsetzung. In einem Pilotprojekt wird das Manual zur Grundlage für die Kommunikation einer realen Destination. Sowohl wir als auch eine weitere Agentur werden jeweils eine Kampagne mit anderem Schwerpunkt auf Basis desselben Manuals entwickeln. Ziel ist es, die Kampagnen später im Alltag zu beobachten: Was funktioniert? Was bewegt die Gäste? Parallel werden sie von einem weiteren externen Partner quantitativ getestet. Die Bewerbungsphase für interessierte Orte läuft bereits. Wir sind jedenfalls schon gespannt, wohin es uns für das Shooting verschlägt.
Übrigens: Der hier beschriebene Prozess ist nicht einfach eine Methode. Er spiegelt eine Haltung, unsere Haltung: Forschung und Kreation als einen einzigen Prozess zu verstehen und auch so zu leben. Wir nennen diese Haltung InsightArt®. Natürlich muss es nicht immer ein so umfassendes Manual sein, was am Ende dabei heraus kommt. Es war in diesem speziellen Projekt die beste Lösung. Mit InsightArt® lassen sich auch gezielt z.B. Packungsgestaltungen oder das Design einer App entwickeln, oder Zusatzangebote im E‑Commerce. Im kompakten und iterativen Format des InsightArt® CXLabs kann z.B. schon in wenigen Tagen ein finales Mockup erstellt werden (dazu mehr in einem späteren Blogbeitrag). Das Grundprinzip ist aber immer das gleiche, denn wir sind davon überzeugt:
Die Trennung zwischen Forschung und Design ist überholt. Wer Wirkung gestalten will, braucht beides – und zwar in einem Prozess.
*Die Literaturangabe ist so nicht ganz korrekt, denn das zitierte Buch erscheint erst im Oktober 2025 – aber da wir es geschrieben haben, wissen wir schon, was drin steht 😉