Schon vorher wissen, was wirkt

Lese­zeit: 4 Minu­ten

Was Designer:innen dabei hilft, treff­si­che­rer Wir­kung zu gestal­ten – ein Ein­blick in die Erstel­lung eines „Design Guide Manu­als“ im Bereich Tourismus.

Ent­würfe machen, tes­ten, opti­mie­ren. So läuft es oft im Kom­mu­ni­ka­ti­ons­all­tag. Doch wäre es nicht inspi­rie­ren­der (und effi­zi­en­ter), schon vor dem ers­ten Scribble zu wis­sen, in wel­che Rich­tung es sich zu den­ken lohnt? Was Ziel­grup­pen wirk­lich anspricht – nicht als ein­schrän­kende Vor­gabe, son­dern als Kom­pass, der zeigt, wel­che Bil­der, Stim­mun­gen und Worte wirk­lich etwas auslösen?

Genau hier setzt das Design Guide Manual (DGM) an: Es eröff­net Designer:innen einen Blick in die inne­ren Wunsch- und Vor­stel­lungs­bil­der der Konsument:innen. Psy­cho­lo­gisch fun­diert und ganz kon­kret zeigt es, mit wel­chen Sti­len, Bild­wel­ten und Aus­sa­gen die rich­ti­gen sinn­lich-asso­zia­ti­ven Reso­nan­zen erzeugt wer­den können.

Ein Design­kom­pass für die Tourismuskommunikation

Ein sol­ches Design Guide Manual haben wir kürz­lich für einen Tou­ris­mus­ver­band erstellt. Der Ver­band ver­eint rund 50 Heil­bä­der und Kur­orte in Süd­deutsch­land – Orte, die alle vor der glei­chen Her­aus­for­de­rung ste­hen: Sie wol­len mit ihrer Kom­mu­ni­ka­tion Men­schen errei­chen, die bereit sind, in ihrem Urlaub bewusst etwas für ihre Gesund­heit zu tun – und die sich dafür aus­ge­rech­net für ihre Desti­na­tion ent­schei­den sol­len. Ob Well­ness-Wochen­ende oder Aktiv­ur­laub: Die Anspra­che die­ser Ziel­grup­pen ist anspruchs­voll – gerade weil Gesund­heits­kom­mu­ni­ka­tion oft zwi­schen Akti­vie­rung und erho­be­nem Zei­ge­fin­ger balanciert.

Viele die­ser Orte ent­wi­ckeln ihre Kom­mu­ni­ka­tion selbst – für Social Media, Web­sei­ten, Flyer. Einige arbei­ten mit Agen­tu­ren, viele aber auch in Eigen­re­gie. In bei­den Fäl­len ist es schlicht zu auf­wen­dig, stän­dig neue Ent­würfe zu tes­ten, um her­aus­zu­fin­den, was funk­tio­niert. Oft bleibt daher die Unsi­cher­heit: Spricht das Bild­mo­tiv wirk­lich an – oder schreckt es ab?

Dafür war das Manual eine gute Lösung: Es lie­fert eine sinn­li­che, psy­cho­lo­gisch fun­dierte Grund­lage für Gestal­tung und Text – kon­kret, inspi­rie­rend und pra­xis­taug­lich. Es zeigt anhand von Mood­boards, Design-Pro­to­ty­pen und Sprach­bei­spie­len, mit wel­chen Sti­len, Stim­mun­gen und Begrif­fen die jewei­lige Ziel­gruppe berührt wer­den kann – und was man lie­ber ver­mei­den sollte. Dif­fe­ren­ziert nach Ziel­grup­pen, Medi­en­typ und Sta­tion in der Cus­to­mer Jour­ney lässt sich so für jede Desti­na­tion die pas­sende Kom­mu­ni­ka­tion entwickeln.

Das Manual ist dabei kein Tool für ein ein­zel­nes Pro­jekt, son­dern ein lang­fris­tig nutz­ba­res Gestal­tungs­fun­da­ment. Denn was Men­schen emo­tio­nal trig­gert (oder abstößt), ver­än­dert sich nicht über Nacht – ebenso wenig wie die Grund­prin­zi­pien der psy­cho­lo­gi­schen Wir­kung. Diese las­sen sich als eine Art von Dia­log ver­ste­hen: zwi­schen den Wunsch­bil­dern und Erwar­tun­gen der Gäste einer­seits – und dem, was ein Ort in Bild und Spra­che anbie­tet, ande­rer­seits (vgl. Heimann/Schütz: Wie Design wirkt, 2. Aufl., 2025*).

Ent­schei­dend für Pra­xis­taug­lich­keit – und auch für die Akzep­tanz – des Manu­als ist es, dass es die krea­tive Frei­heit der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ent­wick­lung nicht ein­schränkt. Im Gegen­teil: Als empi­risch fun­dierte Inspi­ra­ti­ons­grund­lage soll es gewis­ser­ma­ßen das Such­feld für erfolg­ver­spre­chende Kom­mu­ni­ka­tion an die rich­tige Stelle im Such­raum rücken. Es erlaubt damit auch muti­gere Design-Ideen, die man sich vor­her viel­leicht nicht getraut oder erst gar nicht auf dem Schirm hatte.

Ent­wick­lung des Manu­als in explo­rie­rend-gestal­ten­den Workshops

Das Manual wurde im direk­ten gestal­te­ri­schen Dia­log mit der Ziel­gruppe ent­wi­ckelt. In meh­re­ren Work­shop-Wel­len mit unter­schied­li­chen Urlau­ber­ty­pen wur­den die Teil­neh­men­den ein­ge­la­den, ihre inne­ren Bil­der, Stim­mun­gen und Wün­sche sicht­bar zu machen: durch freies Gestal­ten, durch kör­per­li­chen Aus­druck oder das Reagie­ren auf Bild­mo­tive, Sym­bole, Begriffe und Stile in einem Triggerkatalog.

Der Trig­ger­ka­ta­log wurde von uns im Vor­feld auf Basis allen vor­lie­gen­den Bild­ma­te­ri­als ent­wi­ckelt. Zudem konn­ten wir auf Erkennt­nisse frü­he­rer psy­cho­lo­gi­scher Stu­dien zurück­grei­fen. Er ent­hält ein brei­tes Spek­trum an Bild­wel­ten, Begrif­fen, Claims und Sti­len – roh und skiz­zen­haft, vie­les davon KI-gene­riert. Statt Hoch­glanz ging es um Reiz­po­ten­zial: Was ruft Reak­tio­nen her­vor? Was lädt zur Dis­kus­sion ein? Das Mate­rial wurde dabei gezielt sys­te­ma­tisch vari­iert – mal mehr Per­so­nen, mal weni­ger, mal Bewe­gung, mal Stille –, um genau zu ver­ste­hen, was berührt, was Neu­gierde aus­löst, oder was eher abstößt. 

Direkt an und mit der sinn­li­chen Gestal­tung wurde explo­riert, was und warum bestimmte Gestal­tun­gen bestimmte Reak­tio­nen und Asso­zia­tio­nen aus­lö­sen. Psy­cho­lo­gi­sches und gestal­te­ri­sches Ver­ste­hen fan­den in einem statt. Dadurch müs­sen auch keine psy­cho­lo­gi­schen Erkennt­nisse spä­ter in Design über­setzt wer­den, da bei­des in einem trans­dis­zi­pi­nä­ren Pro­zess bereits zusammenfällt. 

Das Ergeb­nis: Kon­kre­ter, sinn­li­cher Input

Das Ergeb­nis der sinn­lich-psy­cho­lo­gi­schen Ana­lyse im Anschluss an die Work­shops ist kein theo­re­ti­sches Nach­schla­ge­werk und keine Emp­feh­lungs­liste in Bul­let­points, son­dern ein pra­xis­na­hes, visu­el­les Arbeits­mit­tel. Es ent­hält Mood­boards, Pro­to­ty­pen (ein paar sind in der Col­lage oben ver­bra­ten), Bild-Bei­spiele, Claims, jeweils bezo­gen auf ein­zelne Ziel­grup­pen, Kanäle und die Cus­to­mer Journey.

Ergänzt wird das Ganze durch eine sinn­lich-psy­cho­lo­gi­sche Motiv­land­karte, die hilft, zen­trale inhalt­li­che Schwer­punkte zu set­zen – und zu sehen, mit wel­chen Mit­teln sich diese stim­mig bespie­len las­sen. Dazu kom­men prak­ti­sche Anwen­dungs­hil­fen, aktu­elle Tou­ris­mus-Trends, die wich­tigs­ten Media­da­ten und ein fik­ti­ves Bei­spiel („Bad Ber­gen­würth“), das Schritt für Schritt zeigt, wie aus dem Manual eine kon­krete Kam­pa­gne entsteht. 

Wie es weitergeht

Als Nächs­tes geht es in die Umset­zung. In einem Pilot­pro­jekt wird das Manual zur Grund­lage für die Kom­mu­ni­ka­tion einer rea­len Desti­na­tion. Sowohl wir als auch eine wei­tere Agen­tur wer­den jeweils eine Kam­pa­gne mit ande­rem Schwer­punkt auf Basis des­sel­ben Manu­als ent­wi­ckeln. Ziel ist es, die Kam­pa­gnen spä­ter im All­tag zu beob­ach­ten: Was funk­tio­niert? Was bewegt die Gäste? Par­al­lel wer­den sie von einem wei­te­ren exter­nen Part­ner quan­ti­ta­tiv getes­tet. Die Bewer­bungs­phase für inter­es­sierte Orte läuft bereits. Wir sind jeden­falls schon gespannt, wohin es uns für das Shoo­ting verschlägt.

Übri­gens: Der hier beschrie­bene Pro­zess ist nicht ein­fach eine Methode. Er spie­gelt eine Hal­tung, unsere Hal­tung: For­schung und Krea­tion als einen ein­zi­gen Pro­zess zu ver­ste­hen und auch so zu leben. Wir nen­nen diese Hal­tung Insight­Art®. Natür­lich muss es nicht immer ein so umfas­sen­des Manual sein, was am Ende dabei her­aus kommt. Es war in die­sem spe­zi­el­len Pro­jekt die beste Lösung. Mit Insight­Art® las­sen sich auch gezielt z.B. Packungs­ge­stal­tun­gen oder das Design einer App ent­wi­ckeln, oder Zusatz­an­ge­bote im E‑Commerce. Im kom­pak­ten und ite­ra­ti­ven For­mat des Insight­Art® CXLabs kann z.B. schon in weni­gen Tagen ein fina­les Mockup erstellt wer­den (dazu mehr in einem spä­te­ren Blog­bei­trag). Das Grund­prin­zip ist aber immer das glei­che, denn wir sind davon überzeugt:

Die Tren­nung zwi­schen For­schung und Design ist über­holt. Wer Wir­kung gestal­ten will, braucht bei­des – und zwar in einem Prozess.

*Die Lite­ra­tur­an­gabe ist so nicht ganz kor­rekt, denn das zitierte Buch erscheint erst im Okto­ber 2025 – aber da wir es geschrie­ben haben, wis­sen wir schon, was drin steht 😉

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