Not my baby: Warum wir fremde Ideen ablehnen

Lese­zeit: 4 Minu­ten

Das Not-inven­ted-here-Syn­drom beschreibt die Ten­denz, Ideen und Kon­zepte abzu­leh­nen, wenn sie nicht selbst ent­wi­ckelt oder zumin­dest mit­ent­wi­ckelt wur­den, unab­hän­gig davon, ob sie gut sind oder nicht. Ein Blick in den Maschi­nen­raum des ite­ra­ti­ven und co-krea­ti­ven Pro­zes­ses von con­sum­erLabs zeigt, wie es anders geht. 

Es ist ver­mut­lich in jedem Unter­neh­men bekannt: Es wird eine neue Kam­pa­gne prä­sen­tiert, eine neue App oder Landing Page gestal­tet oder ein Pro­dukt­kon­zept vor­ge­stellt. Doch auch, wenn die Idee oder das Ergeb­nis qua­li­ta­tiv gut ist, hapert es dann an der Umset­zung. Manch­mal ver­schwin­det ein inno­va­ti­ves und an sich gutes Kon­zept sogar auf Nim­mer­wie­der­se­hen in der Schub­lade. Gerade wenn externe Dienst­leis­ter Ideen, Kon­zepte oder Ent­würfe ‚von außen‘ ins Unter­neh­men tra­gen, ist die Gefahr groß, dass das Not-inven­ted-here-Syn­drom zuschlägt.

Owner­ship ist entscheidend

In vie­len Fäl­len hat dies nichts mit Inno­va­ti­ons­feind­lich­keit zu tun. Es geht um Owner­ship, das Gefühl, selbst Teil der Ent­ste­hung gewe­sen zu sein, oder eben nicht. Wer an einem Kon­zept direkt mit­ge­ar­bei­tet hat, Arbeit und Herz­blut hin­ein­ge­steckt hat, der ist viel eher bereit, es zu ver­tei­di­gen, es ande­ren Abtei­lun­gen gegen­über zu ver­ar­gu­men­tie­ren und nicht zu schnell Wider­stän­den im Unter­neh­men bei der Umset­zung nach­zu­ge­ben. Das alles gehört gerade in grö­ße­ren Unter­neh­men dazu, eine Idee vor­an­zu­trei­ben und am Ende auch zu implementieren.

Was offen­sicht­lich hilft, aber in der Pra­xis gerade von Dienst­leis­tern oft zu wenig beher­zigt wird, ist, die ver­ant­wort­li­chen Per­so­nen aktiv am Ent­wick­lungs­pro­zess zu betei­li­gen. Das bedeu­tet nicht, dass jeder alles selbst ent­wer­fen muss. Pro­zesse soll­ten aber so geplant sein, dass alle rele­van­ten Stake­hol­der von Beginn an am Ent­wick­lungs­pro­zess betei­ligt sind und alle wich­ti­gen Ent­ste­hungs­schritte mit­er­le­ben und mit­ge­stal­ten kön­nen. Dann ent­steht ein Gefühl gemein­sa­mer Autoren­schaft, was die Umset­zungs­wahr­schein­lich­keit enorm erhöht.

Ein Blick ins consumerLab

Gute Erfah­run­gen haben wir jetzt bereits seit eini­gen Jah­ren mit dem For­mat des con­sum­erLabs (oder CXLab, oder Design­Lab, je nach Kunde und Ziel­set­zung) gemacht, und der hier als Bei­spiel dafür die­nen soll, das Not-inven­ted-here-Syn­drom von vor­ne­her­ein zu ver­mei­den. Worum geht es in einem Lab? Ein Lab ist ein gemein­sa­mer Ent­wick­lungs­pro­zess mit dem Ziel, einen Mehr­wert für ein Pro­dukt, eine Ver­mark­tungs­stra­te­gie oder eine Cus­to­mer Jour­ney zu ent­wi­ckeln, um Con­ver­sion zu stei­gern. Das Ergeb­nis sind kon­su­men­ten­zen­trierte Design-Pro­to­ty­pen in Form von (i.d.R. klick­ba­ren) Mock­ups. Das kann z.B. ein Online-Ban­ner sein, eine Online-Bestell­stre­cke, eine Landing Page oder die Archi­tek­tur und das Design einer App.

In solch einem Lab, der i.d.R. etwa 2 Wochen dau­ert, wech­seln sich Mockup-Ent­wick­lung, Work­shops mit Konsument:innen, psy­cho­lo­gi­sche Ana­lyse und Team-Reviews ite­ra­tiv ab. Meist dre­hen wir 3 oder 4 Schlei­fen, bis ein fina­les, dann bereits am con­su­mer getes­te­tes Mockup steht – ein Pro­to­typ, der direkt in der Ver­mark­tung genutzt wer­den kann. Wich­tig für das Gelin­gen des Pro­zes­ses ist dafür:

👉 Alle Teilnehmer:innen sind im gesam­ten Pro­zess bei allen Schrit­ten aktiv betei­ligt. Bei einem zwei­wö­chi­gen Pro­zess ist dies i.d.R. gut realisierbar.

👉 Jede Teil­neh­me­rin und jeder Teil­neh­mer kann und sollte jeder­zeit seine Gedan­ken, Ideen oder auch Text­for­mu­lie­run­gen oder Bil­der ein­brin­gen. Gerade am Anfang des Pro­zes­ses (die „All-In Phase“), wenn noch nicht klar ist, in wel­che Rich­tung sich ein Kon­zept ent­wi­ckelt, sollte wirk­lich alles in die Con­su­mer-Work­shops test­weise mit rein­ge­ge­ben werden.

👉  Ein klar struk­tu­rier­ter Pro­zess mit defi­nier­ten Mei­len­stei­nen sorgt dafür, dass sich nie­mand Gedan­ken machen muss, wie der Pro­zess wei­ter­ge­führt ist, oder ob das Timing noch stimmt: Begin­nend z.B. mit einer Ana­lyse von Pro­dukt und Ziel­gruppe, der Erstel­lung von Rou­ten und sys­te­ma­tisch vari­ier­ten Mock­ups, über eine schritt­weise Redu­zie­rung und Über­ar­bei­tung des Mate­ri­als bis hin zum fina­len Entwurf.

👉  Agi­li­tät bei „wicked pro­blem“ erhal­ten. Ent­wick­lungs­pro­zesse müs­sen dabei fle­xi­bel blei­ben, um bei Bedarf die Ziel­set­zung zu ändern. So wurde z. B. in einem Lab aus einer geplan­ten App nach der zwei­ten Phase eine Web­seite, weil diese von den Kun­den deut­lich bes­ser ange­nom­men wurde.

👉  Team-Reviews in jeder Phase schaf­fen maxi­male Trans­pa­renz und sor­gen dafür, dass alle aktiv betei­ligt blei­ben: Das betrifft die gemein­same Ana­lyse des Kun­den­feed­backs als auch die Ent­schei­dun­gen, wie das Mate­rial für die nächste Phase über­ar­bei­tet wird. Ggf. müs­sen zwi­schen den Pha­sen auch Infos von angren­zen­den Ver­ant­wor­tungs­be­rei­chen ein­ge­holt werden.

👉 Aktive Betei­li­gung auch zwi­schen Reviews und Work­shops ermög­li­chen. Im Lab pas­siert dies meist, wenn wir Mock­ups nach Abspra­che im Review über­ar­bei­ten. Jeder erhält dann den Link zur Adobe Cloud und zu einem Kol­la­bo­ra­ti­ons­board mit der Mög­lich­keit, Anmer­kun­gen zu hinterlassen.

Das so gemein­sam erar­bei­tete Ergeb­nis wird dann in aller Regel 1:1 umge­setzt, da es nicht nur human-cen­te­red in Bezug auf die Konsument:innen ist, son­dern auch human-deve­lo­ped durch das ver­ant­wort­li­che Team. Nicht zuletzt neh­men alle Betei­lig­ten noch nach­hal­tige Lern­ef­fekte mit. Sie kön­nen nicht nur den gemein­sam ent­wi­ckel­ten kon­kre­ten Ent­wurf bes­ser im Unter­neh­men ver­kau­fen. Sie wis­sen auch noch etwas bes­ser, wor­auf es bei der Ver­mark­tung ihres Pro­dukts ankommt, und kön­nen ihre Erkennt­nisse auch auf andere Jour­neys oder Ver­mark­tungs­ka­näle über­tra­gen. Sie wer­den empowered durch kno­wing-how, zusätz­lich zum kno­wing-what (der ent­wi­ckelte Prototyp).

Wenn Betei­li­gung fehlt

Wie wich­tig die aktive Betei­li­gung ist, zeigt sich auch an einem eige­nen Bei­spiel, das nicht so opti­mal gelau­fen ist. In dem Fall sollte eine Print-Anzeige ite­ra­tiv ent­wi­ckelt wer­den. Weil die Ziel­gruppe schwie­ri­ger zu fin­den war, wur­den statt Work­shops (die alle live ver­fol­gen kön­nen) immer einige wenige Ein­zel-Inter­views zwi­schen den Review- und Krea­ti­ons­pha­sen durch­ge­führt. Auch hier gab es ein Ergeb­nis, das human-cen­te­red war. Den­noch wur­den die Ent­würfe nicht so rich­tig ange­nom­men. Hin­ter den uns dafür genann­ten Grün­den dafür war auch raus­zu­hö­ren: Es war nicht so rich­tig das eigene Baby.

Wie ist das mit KI?

Gene­ra­tive KI-Tools kön­nen dabei unter­stüt­zen, inner­halb kür­zes­ter Zeit Test­ma­te­rial zu ent­wer­fen, sie geben Inspi­ra­tion für Claims und Texte oder ermög­li­chen es, Bild­ideen aus dem Team schnel­ler umzu­set­zen als mit klas­si­schen Tools. Kann KI aber nicht auch den gan­zen Pro­zess abkür­zen? Abge­se­hen davon, dass weder ech­tes Kun­den­feed­back simu­liert wer­den kann noch der Trans­fer von psy­cho­lo­gi­schen Insights in kon­krete Mock­ups gut gelingt – eine Abkür­zung durch KI würde auch den „human-to-human“-Ansatz zunichte machen. Das Ergeb­nis wäre dann auch wie­der „not inven­ted here“ – oder: Not my baby.

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