Kreativität ist Intuition. Stimmt das?

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Wie hän­gen Intui­tion und Krea­ti­vi­tät zusam­men? Eigent­lich genauso, wie Intui­tion mit Fuß­ball­spie­len, Chir­ur­gie und Jazz­im­pro­vi­sa­tion zusammenhängt.

Jeder Mensch ist krea­tiv, denn jeder Mensch hat grund­sätz­lich eine Bega­bung dafür, sich etwas Neues aus­zu­den­ken – man­che hal­ten dies sogar für eine der wich­tigs­ten Fähig­kei­ten der Spe­zies Mensch, die uns von ande­ren Spe­zies unterscheidet. 

Oft wird die Theo­rie ver­tre­ten, dass man zum krea­ti­ven Ideen­ent­wi­ckeln mög­lichst intui­tiv vor­ge­hen sollte. Am bes­ten ganz ohne Regeln, ohne irgend­wel­che ein­engende Sys­te­ma­tik oder Metho­dik, um den freien Ideen­fluss nicht beim Flie­ßen zu hin­dern. Frü­her hieß es, dass Ideen direkt von Gott gesandt wer­den, aber das galt nur für die beson­ders begna­de­ten Men­schen. Die­ser etwas eli­täre Genie­my­thos ist out und das ist auch gut so. 

Im Prin­zip hat sich aber nicht so viel geän­dert, wenn man jetzt annimmt, Ideen flie­ßen ein­fach so intui­tiv und frei aus dem eige­nen Unbe­wuss­ten, statt dass sie vom Him­mel fal­len. Denn das Mys­te­rium, wie denn die Ideen ins Unbe­wusste hin­ein­kom­men, aus dem sie dann flie­ßen, ist ebenso uner­klärt wie das himmlische. 

Intui­tion greift auf sog. impli­zi­tes Wis­sen zurück. „Impli­zi­tes Wis­sen kann man auch als Wis­sen, wie… (kno­wing how) oder als Kön­nen bezeich­nen. Dass jemand weiß, wie man Geige spielt oder wie man mit Enk­aus­tik­far­ben malt, erkennt man daran, dass er es kann. (…) Nur im Sta­dium des Erler­nens sind Bewusst­sein und Auf­merk­sam­keit betei­ligt. Danach funk­tio­niert impli­zi­tes Wis­sen auto­ma­tisch.“ (Hans Die­ter Huber in: Das Wis­sen der Sinne, 2015). Das trifft auf alle Berei­che zu, nicht nur auf krea­tive Ideenentwicklung.

Der Fuß­ball­profi weiß genau, mit wel­chem Schwung er den Ball ins freie Feld schie­ßen musss, damit ihn Sekun­den spä­ter ein Mit­spie­ler genau an der rich­ti­gen Stelle zum rich­ti­gen Zeit­punkt erreicht. Das weiß er intui­tiv, denn müsste er sich das erst mathe­ma­tisch berech­nen, würde das viel zu lange dau­ern. Es heißt oft, es wäre schäd­lich, wenn man den Spie­ler dazu auf­for­dern würde, sich sein intui­ti­ves Ver­hal­ten bewusst zu machen. Das kann durch­aus im Moment des schnel­len Spiels ein Hin­der­nis sein, weil Nach­den­ken viel zu lange dau­ert und den Fluss des Spiels unter­bricht. Aber im Trai­ning ist es sogar sehr sinn­voll, sich das eigene intui­tive Ver­hal­ten bewusst zu machen, um es zu ver­bes­sern und nicht immer wie­der intui­tiv die­sel­ben Feh­ler zu begehen. 

Auch eine Chir­ur­gin hat die Hand­lungs­ab­läufe einer Ope­ra­tion irgend­wann nach viel Übung so ver­in­ner­licht, dass sie es wie auto­ma­tisch macht. Auch hier würde es viel zu lange dau­ern, wenn sie über jeden Hand­griff erst lange nach­den­ken müsste. Aber auch eine Chir­ur­gin muss neue medi­zi­ni­sche Erkennt­nisse, die sie viel­leicht auf einem Kon­gress lernt, in ihr Ver­hal­ten inte­grie­ren und den intui­ti­ven Auto­ma­tis­mus immer wie­der neu jus­tie­ren. Ande­ren­falls bliebe sie ewig auf dem glei­chen Stand und würde ihr Wis­sen nie erwei­tern und für den Hand­lungs­ab­lauf in der Pra­xis nichts dazu ler­nen. Jeder Mensch kann ja auch sin­gen – das sol­len schon die Nean­der­ta­ler gekonnt haben, aber für rich­tig pro­fes­sio­nel­les Sin­gen braucht es viel Übung, immer wie­der Trai­ning und am bes­ten auch Gesangsunterricht.

Wenn ich intui­tiv Saxo­phon spiele, ist das ange­neh­mer für meine Mit­men­schen, als wenn ich intui­tiv Gitarre spiele. Bei­des kann ich nicht. Bei der Gitarre klingt es dann scheuß­lich, wäh­rend ich beim Saxo­phon gar nicht erst einen Ton her­aus bekomme. Ist man im Saxo­phon­spie­len geübt, hat Har­mo­nien, Rhyth­men etc. intui­tiv ver­füg­bar, ohne drü­ber nach­zu­den­ken, kann man mit neuen Melo­dien und Rhyth­men expe­ri­men­tie­ren, etwas Neues kom­po­nie­ren oder sich in einem Ensem­ble mit ande­ren Musi­kern auf das kon­zen­trie­ren, was die ande­ren spie­len und wel­chen nächs­ten Ton man von der Pia­nis­tin erwar­ten kann und gemein­sam improvisieren.

Das ist auch nicht anders, wenn es um krea­tive Ideen­ent­wick­lung geht – und mit dem Kom­po­nie­ren waren wir ja bereits beim Thema Krea­tion – auch bei allen Pro­fes­sio­nen, wo das Ideen­ent­wi­ckeln dazu gehört, z.B. Design. Metho­den, die zu Ideen füh­ren – wie Umstruk­tu­rie­ren, Ver­frem­den, Kom­bi­nie­ren, aus ande­rer Per­spek­tive betrach­ten oder aus ande­ren Berei­chen ana­log Trans­fe­rie­ren – voll­zieht man intui­tiv. Auch hier kom­men die Ideen aber nicht ein­fach so aus dem Bauch, son­dern auch hier macht Übung den Meis­ter und die Meisterin. 

Das Abar­bei­ten der Anlei­tung einer Krea­ti­vi­täts­tech­nik, wie z.B. Brain­wri­ting 653, stört dann den intui­ti­ven Pro­zess, wäh­rend sol­che Tech­ni­ken für Unge­übte wert­voll sein kön­nen, um Metho­den erst zu erler­nen. Rich­tig flüs­sig – also im Flow – Ideen ent­wi­ckeln funk­tio­niert aber bes­ser, wenn man schon intui­tiv mit den Metho­den umgeht. Auch hier kann man den schon ein­ge­üb­ten Grund­stock an Tech­ni­ken, über die man nicht mehr nach­den­ken muss, nut­zen, um neues zu ler­nen und aus­zu­pro­bie­ren und die Mög­lich­kei­ten zu erweitern. 

Dar­über hin­aus brau­chen die Ideen auch Roh­stoff. Von nichts kommt nichts, wie man so schön sagt. Man muss sich also auch inten­siv mit dem Thema beschäf­ti­gen, zu dem man eine Inno­va­tion ent­wi­ckeln möchte. Daher erfin­det ein Künst­ler viel­leicht einen neuen Kunst­stil, weil er sich ein­gän­gig mit Kunst­sti­len befasst hat, aber sel­ten einen neuen Fahr­zeug­an­trieb, wäh­rend die Fahr­zeug­inge­nieu­rin, die viel Wis­sen und Erfah­rung im Bereich Fahr­zeug­an­triebe besitzt, in die­sem Bereich die bes­se­ren Chan­cen auf eine neue Erfin­dung hat. 

Zwei Arten, sich mit einem Thema inten­siv zu befas­sen, am bes­ten in Kom­bi­na­tion, sind hier ziel­füh­rend: Das Thema in sei­nen Zusam­men­hän­gen ver­ste­hen bzw. dem Durch­drin­gen des Wesent­li­chen (sys­te­ma­tisch-ana­ly­tisch) und eine wilde Recher­che (von Hölz­chen auf Stöck­chen auf Segel­boot), bei der man alles sam­melt, das nah oder auch sehr ent­fernt asso­zia­tiv mit dem Thema zusam­men­hängt. Letz­te­res ist Fut­ter für intui­tive Verknüpfungen.

Intui­tion ist also rich­tig und wich­tig für Krea­ti­vi­tät, aber sie ent­steht nicht ein­fach ganz von selbst im Unbe­wuss­ten, son­dern muss gefüt­tert und trai­niert wer­den. Dann bie­tet sie eine Grund­lage für ein flüs­si­ges Ideen­ent­wi­ckeln und ste­ter Weiterentwicklung.

(mh)

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