Kreativtechnik: Papalagi

Lese­zeit: 3 Minu­ten

Ideen­ent­wick­lung funk­tio­niert oft bes­ser, wenn man sich vor­her erst­mal ein biss­chen locker macht, bevor man ernst­hafte — also brauch­bare und rea­li­sier­bare — Ideen ent­wi­ckelt. Dafür kann man krea­tive Auf­wärm-Übun­gen nut­zen. Eine sol­che Übung, die ich „Papa­lagi“ (Papa­laNgi aus­ge­spro­chen) genannt habe, wird im Fol­gen­den vorgestellt.

Das Buch „Der Papa­lagi, die Reden des Süd­see­häupt­lings Tuiavii aus Tia­vea“ des deut­schen Malers und Schrift­stel­lers Erich Scheur­mann von 1920 beruht zwar auf rei­ner Erfin­dung. Es könnte aber wahr sein. Ein Süd­see­häupt­ling hat Europa besucht und beschreibt nach sei­ner Rück­kehr sei­nem Volk, wie ein Euro­päer (Papa­lagi) lebt. Er beschreibt es aus der Sicht eines Süd­see­be­woh­ners, der eini­ges in Europa als merk­wür­dig bis irri­tie­rend emp­fand. So wohnt z.B. der Papa­lagi in stei­ner­nen Tru­hen mit ecki­gen Löchern darin, und wenn er durch das große Loch hin­ein geht, nennt er es „Ein­gang“, geht er hin­aus, heisst das glei­che eckige Loch aber „Aus­gang“ etc. Der Papa­lagi ist schon ein selt­sa­mes Wesen! …

Die Welt mit einem frem­den Blick betrachten

Diese lesens­werte Geschichte ist ein tol­les Bei­spiel dafür, wie die Welt, die wir für selbst­ver­ständ­lich hal­ten, aus einem frem­den Blick her­aus sehr merk­wür­dig wir­ken kann. Der fremde Blick auf etwas Gewöhn­li­ches ist eine der bes­ten Vor­aus­set­zun­gen für krea­tive Ideen, denn er erlaubt, das Gewohnte zu hin­ter­fra­gen und dadurch auch auf unge­wöhn­li­che Ideen zu kom­men. Die Tech­nik macht sich zunutze, dass Men­schen Selt­sa­mes und Unge­wohn­tes gerne ver­ste­hen möch­ten, und daher die Bereit­schaft, sich für ein neues Ver­ständ­nis jen­seits eige­ner Kli­schees zu öff­nen, grö­ßer ist, als wenn alles gewohnt nor­mal erscheint. Es han­delt sich hier auch um eine Form der schöp­fe­ri­schen Zer­stö­rung.

Bei der Papa­lagi-Tech­nik übt man die­sen frem­den Blick ein, ohne dass dabei schon kon­krete Ideen für eine kon­krete Auf­ga­ben­stel­lung ent­ste­hen sol­len. Man kann diese Übung zu einem spä­te­ren Zeit­punkt aber abwan­deln, indem man sich in die Ziel­gruppe hin­ein­ver­setzt, für die Ideen ent­wi­ckelt wer­den. Hier ist es hilf­reich, die Motive, Bedürf­nisse und Eigen­schaf­ten der Ziel­gruppe zu über­trei­ben, damit der fremde Blick auch fremd genug ist.

Beim Stel­len der kon­kre­ten Auf­ga­ben sind der Fan­ta­sie keine Gren­zen gesetzt

Diese Übung kann man mit ganz ver­schie­de­nen Auf­ga­ben durch­füh­ren, was aller­dings Krea­ti­vi­tät beim Auf­ga­ben­stel­ler vor­aus­setzt. Um Bei­spiele zu geben, in wel­che Rich­tun­gen die Auf­ga­ben gehen kön­nen, wer­den im Fol­gen­den einige auf­ge­lis­tet, die bereits pra­xis­er­probt sind:

👉 Stel­len Sie sich vor, die­ser Dru­cker ist gar kein Dru­cker, son­dern eine Zeit­ma­schine. Erklä­ren Sie die Zeit­ma­schine und was sie alles kann.

👉 Machen Sie eine kleine Exkur­sion in den nächs­ten Super­markt und stel­len Sie sich vor, es wäre eine moderne Kunst­aus­stel­lung. Beschrei­ben Sie die Expo­nate und erklä­ren Sie, was der Künst­ler sich dabei gedacht hat.

👉 Die­ser Raum (i.d.R. ein Work­shop-Raum) wurde von Archäo­lo­gen erst vor kur­zem ent­deckt. Es han­delt sich um eine Kult­stätte einer ver­gan­ge­nen Kul­tur. Erklä­ren Sie anhand des Raums und der Möbel und Gegen­stände im Raum, wie eine kul­tu­relle Zere­mo­nie hier durch­ge­führt wurde und wel­chen Sinn sie hatte.

👉 In Ihrer Klein­gruppe befin­det sich ein Außer­ir­di­scher, der sich als Mensch getarnt hat. Wäh­len Sie jeman­den aus Ihrer Mitte und beschrei­ben Sie, woran man ihn trotz­dem erkennt, was seine Auf­gabe bei sei­ner Erden­mis­sion ist etc.

👉 Sie schla­fen kurz ein, und wenn Sie wie­der auf­wa­chen, stel­len Sie fest, dass Sie jetzt der Stuhl sind, auf dem Sie zuvor saßen. Wie fühlt es sich an, ein Stuhl zu sein? Was mögen Sie, was nicht? Über was den­ken Sie den gan­zen Tag nach, und wie ist Ihr Leben als Stuhl und Ihre Pläne für die Zukunft?

Wie geht man bei der Tech­nik vor?

Man darf gerne am Anfang den Teil­neh­men­den erklä­ren, wel­chen Sinn diese Übung hat und dass sie ver­su­chen sol­len, sich mög­lichst gut in ihre Rolle zu ver­set­zen bzw. Dinge als etwas ande­res zu sehen. Gut ist es, diese Auf­gabe in klei­nen Teams zu bear­bei­ten, weil sich die Team­mit­glie­der dann oft in ihrer Fan­ta­sie gegen­sei­tig ansta­cheln, was es für alle leich­ter macht, sich ima­gi­na­tiv in die­sen frem­den Blick hin­ein­zu­ver­set­zen. Man sollte den Teams auch min­des­tens eine halbe Stunde Zeit geben. Hilf­reich ist auch, wenn die Grup­pen die Auf­gabe haben, das Ganze wie eine Reise zu doku­men­tie­ren, am bes­ten auch mit Skiz­zen oder Fotos.

Die Übung ist auch des­halb zum Auf­wär­men sehr gut geeig­net, weil sie sehr viel Spaß macht, den ein oder ande­ren Lacher bringt und das den Teil­neh­men­den für die wei­tere kon­struk­tive Zusam­men­ar­beit ein posi­ti­ves Gefühl gibt. Man sollte sich dann auch die Zeit neh­men, die Mühe, die sich die Teams mit der Auf­gabe gemacht haben, zu wür­di­gen, indem jede Klein­gruppe ihre Ergeb­nisse den ande­ren vor­stellt. Das bewirkt auch eine gute Stim­mung im Gesamt­team. Gleich­zei­tig gelingt es mit sol­chen Auf­wärm-Übun­gen gut, die Teil­neh­men­den in einen spie­le­ri­schen Modus mit auf­ge­lo­cker­tem Den­ken zu brin­gen, was der wei­te­ren Ideen­ent­wick­lung sehr zuträg­lich ist.

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